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Abwasser: Wer muss wieviel zahlen?

André Stahl (LINKE) mit konstruktiven Vorschlägen zur Lösung des Problems mit Altanschließerbeiträgen im Abwasserverband „Panke-Finow“

Gebühren statt Beiträge für Wasser und Abwasser – die Kosten, die den Bürgerinnen und Bürgern der verbandsangehörigen Gemeinden Bernau, Biesenthal, Rüdnitz und Melchow aus einer Umstellung entstehen, sollen ermittelt werden. Das beschloss der Abwasser- und Wasserverband „Panke-Finow“ (WAV) Mitte Februar auf Antrag der Bernauer Stadtverordnetenversammlung. Der Antrag geht auf eine Initiative der LINKEN zurück.
Die Umstellung vom Beitrags- auf das Gebührenmodell ist eine Forderung der Dienstagsdemonstranten auf dem Bernauer Markt, die sich aus der Nach-Forderung des WAV nach Altanschließerbeiträgen ergab, die diejenigen zahlen müssen, die bereits vor 1989 an das Abwassernetz angeschlossen wurden.
In den vergangenen Monaten hatte Biesenthals Bürgermeister André Stahl (LINKE) immer wieder mit konstruktiven Vorschlägen versucht, eine Umstellung vom Beitrags- auf das Gebührenmodell zu ermöglichen.
Die Umstellung von Beiträgen auf Gebühren ist im WAV deshalb so schwierig, weil – im Gegensatz zum Beispiel zu Panketal – ein hoher Anteil an Mietwohnungen vor allem in Bernau vorhanden ist und Neuanschließer-Beiträge im Umfang von 29,7 Millionen € zurückgezahlt werden müssten. „Eine Kreditaufnahme für diese Rückzahlung lehnt die Kommunalaufsicht leider ab“, kommentierte Stahl, der diese rechtliche Klärung initiiert hatte.
Stahl sprach sich weiter dafür aus, dass der Verbandsvorsteher künftig hauptamtlich beschäftigt werden soll. Derzeit ist Bernaus Bürgermeister Hubert Handke zugleich Verbandsvorsteher. „Das führt zu Überlastung und Interessenkonflikten“, ist sich Stahl sicher. „Außerdem sollte kein Mitglied im Verband mehr als 50 Prozent der Stimmanteile haben, auch, wenn die Zahl der Einwohner das hergibt“, benannte Stahl eine weitere notwendige Veränderung. Derzeit hält Bernau mehr als 50 Prozent und kann damit jede Entscheidung mit Stimmenmehrheit herbeiführen.
(Korrigierter Beitrag aus der Sonderausgabe der "Offene Worte" zur Kommunal- und Europawahl)

Ein Neustart ist nötig

Bernaus Bürgermeister, Hubert Handke (CDU), wurde am 30. März von den Bernauer Bürgerinnen und Bürgern abgewählt. 43 Prozent der Wahlberechtigten waren zur Wahl gegangen, davon stimmten 60 Prozent für die Abwahl des Stadtoberhauptes.

Anlass des Bürgerentscheides war die Festsetzung des Wasser- und Abwasserverbandes Panke-Finow (WAV), Altanschließerbeiträge zu erheben.

Die monatelangen Demonstrationen in Bernau richteten sich letztlich gegen Bürgermeister Handke, der durch sein Amt amtierender Verbandsvorsteher ist.

„Es war vor allem der Umgang mit den Protesten und den berechtigten Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, der zur Abwahl des Bürgermeisters führte“, kommentierte die Vorsitzende der Stadtfraktion der LINKEN, Dagmar Enkelmann. Die Verweigerung von Gesprächen, die fehlende Bereitschaft, aktiv an der Suche nach einer vernünftigen Lösung mitzuwirken, gaben letzten Endes den Ausschlag. Kritik an seiner Amtsführung gibt es allerdings schon länger. Fehlende Transparenz, Aussitzen von Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung, Regieren vom grünen Tisch aus oder auch die Unterstützung offenkundiger Fehlentscheidungen, wie der Austritt der Stadt aus dem Wasser- und Abwasserverband „Panke-Finow“, führten immer wieder zu Auseinandersetzungen mit Herrn Handke. Es ist Zeit für einen Neustart“, macht Enkelmann deutlich und betont: „Der setzt allerdings voraus, dass alle Seiten die Belange unserer Stadt in den Vordergrund rücken. Ein neues Miteinander ist angesagt“.

Altanschließer-Beiträge des WAV bringen das Fass zum Überlaufen

Seit Jahren kämpfen die betroffenen Grundstücksbesitzer gegen die umstrittene rückwirkende Erhebung von Beiträgen für Investitionen, die im Verbandsgebiet des WAV Panke/Finow in den Jahren von 1990 bis heute vorgenommen wurden.
DIE LINKE in Bernau stehen in ihrer Mehrheit seit Jahren an der Seite der Betroffenen und unterstützen sie in ihren berechtigten Anliegen.

Dass die Verjährungsfrist, wie von den LINKEN bereits im Jahr 2003 im Landtag gefordert, auf 2003 festgesetzt, von der Landesregierung unter SPD und CDU immer wieder ausgesetzt wurde, empfinden sie als ungerecht. Erst jetzt, Ende November 2013, hat sich die rot/rote Landesregierung durchgerungen, eine Verjährung festzusetzen. Während die SPD dies für 2020 anstrebte, konnte sich die Linksfraktion zumindest mit ihrer Forderung nach einer Verkürzung dieser Frist bis 2015 durchsetzen. Allerdings empfinden die Betroffenen die jetzt festgesetzte Frist von 15 Jahren als faulen Kompromiss, denn die ersten 10 Jahre von 1990 bis 2000 werden nicht berücksichtigt, so dass die Verjährungsfrist erst 2000 beginnt und 2015 endet. Darüber sind die Betroffenen empört. Zumal sie sich durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März dieses Jahres, das die rechtliche Praxis der rückwirkenden Erhebung von Beitragen in Brandenburg immerhin in Frage stellt, bestärkt fühlen.  

Die Empörung ist nicht nur in Bernau und Umgebung groß, denn die Grundstücksbesitzer fühlen sich vom kommunalen Zweckverband ausgeplündert. Sie erwarten von den gewählten Stadt- und Gemeindevertretern eine Korrektur und die Umstellung der Refinanzierung der Kosten des WAV auf Gebühren und damit eine Erhöhung der Kosten des Wasser- und Abwasserpreis, den alle zahlen.
Das ist eine schwierige Abwägung, die die Gemeindevertreter zu treffen haben und für die sie von den Betroffenen oftmals gescholten werden. Aber bisher gab es in den Verbandsgemeinden noch keine Mehrheit für die Umstellung auf ein reines Gebühren-Modell.  

Was das Kommunalabgabengesetz regelt und was nicht
Das Kommunalabgabengesetz Brandenburgs enthält keine generelle Verpflichtung, Anschlussbeiträge zu erheben. Den Kommunalen Zweckverbänden wird es freigestellt, auf welchem Weg sie ihre Investitionen refinanzieren. Entsprechend einem Urteil des Landes- Oberverwaltungsgerichtes sollen aber die Zweckverbände alle bereits vor 1990 erschlossenen Grundstücke an den Kosten der seither durchgeführten Investitionen in das Wasser- und Abwassernetz, das heißt in neue Druckleitungen, Pumpwerke und Klärwerke, beteiligen.
Den öffentlich-rechtlichen Zweckverbänden obliegt es laut Kommunalabgabengesetz, in ihren Satzungen zu regeln, von welcher Form der Refinanzierung ihrer Kosten sie Gebrauch machen.
Insgesamt haben sich dafür 4 Varianten herausgebildet:

  1. Eine gleichmäßige Beitragserhebung von  Neu- und Alt-Anschließern;
  2. Ein vollständiger Verzicht auf Beitragserhebung und Umlage der Kosten auf die Gebühren, d. h Wasser- und Abwasserpreise (Bei einem Wechsel von Beitrags- auf Gebührensatzung sind jedoch bereits eingezahlte Beiträge zurück zu erstatten);
  3. Verzicht auf Beitragserhebung bei Alt-Anschließern, dafür Einführung unterschiedlich hoher Gebühren bei Neu- und Alt-Anschließern;
  4. Eine differenzierte Beitragserhebung bei Neu- und Alt-Anschließern, das sogenannte Optionsmodell.

Mehrere Möglichkeiten werden von Zweckverbänden in Brandenburg angewendet.
Der Zweckverband Eberswalde (ZWA) hat, nach langen Auseinandersetzungen mit Bürgern und bei Gerichten um seine Satzung, 2006 auf die reine Gebührenfinanzierung umgestellt. Dadurch ist der Wasserpreis um durchschnittlich einen Euro pro m³ gestiegen. Alle Wasserabnehmer werden seitdem entsprechend ihrem Verbrauch höher belastet. Auch das hat zu großen Protesten bei der Bevölkerung geführt. Von Neu-Anschließern bereits gezahlte Beiträge werden aber sukzessive zurück erstattet.
Beim Wasser- und Abwasser-Zweckverband „Panke-Finow“, der Bernau, Rüdnitz, Biesenthal und Melchow versorgt, wurden Neu-Anschließer auf der Grundlage der Satzung von 1994 zu Beiträgen entsprechend ihrer Grundstücksgröße und deren möglicher Bebaubarkeit veranlagt. Von der Veranlagung der Alt-Anschließer hatte man bis 2010 abgesehen.
Mit Beschluss-Nr. 05/01/10 vom Dezember 2010 hat die Verbandsversammlung des WAV „Panke-Finow“ jedoch auch die Veranlagung der sogenannten alterschlossenen Grundstücke mit einem Herstellungsbeitrag nach dem bestehenden, einheitlichen Beitragssatz gemäß den geltenden Beitrags- und Gebührensatzungen des WAV „Panke/Finow“ beschlossen.

LINKE forderten schon 2011 Variantenvergleich
Am 17. Februar 2011 wurde daraufhin auf Antrag der Fraktion DIE LINKE in Bernau ein für die Alt-Anschließer wichtiger Beschluss in der Stadtverordnetenversammlung Bernau gefasst. Der WAV „Panke-Finow“ soll die Versendung der Alt-Anschließerbescheide bis zur nochmaligen Überprüfung der Satzung aussetzen. Dies sei aufgrund erheblicher rechtlicher Unsicherheiten bei der Satzungserarbeitung dringend geboten. Auch die verschiedenen Entscheidungsvarianten für die Zweckverbände aus dem Rundschreiben des Ministeriums des Innern des Landes Brandenburg vom 8. Februar 2011 sollten ergebnisoffen geprüft werden. Diesem Antrag der Fraktion DIE LINKE stimmte eine Mehrheit der Stadtverordneten zu.

Um soziale Härten zu vermeiden und eine möglichst gerechte Lösung für alle Beteiligten zu erreichen, forderte die Stadtverordnetenversammlung von Bernau im Mai 2011, wiederum auf Antrag der LINKEN, seine Vertreter im WAV erneut auf, einen Variantenvergleich mit detaillierten Kalkulationen vorzunehmen, auf dessen Grundlage die geeignetste Lösung für die Abnehmer in die Verbandssatzung aufzunehmen ist. ( Beschluss 5-725 vom 12.5.2011).
Schließlich hat DIE LINKE in der SVV ein Moratorium zur Versendung der Bescheide bis Ende 2012 durchgesetzt, weil wir noch immer auf eine Entscheidung der Landesregierung zur Verjährung der Ansprüche hofften.

Was ist zu zahlen?
Im Gebiet des Zweckverbandes „Panke-Finow“ wurden von 1994 bis Ende 2010 rund 88 Mio. Euro investiert, vorwiegend über Kredite. 63 Mio. davon werden als beitragsfähig angesehen. Rund 39 Mio. Euro an Kreditverpflichtungen sind noch zu tilgen. Um die Refinanzierung dieser Kosten geht es jetzt.
Inzwischen hat der WAV bereits rund 14 Mio. € an Altanschließer-Beiträgen eingenommen. Doch gegen die 5.400 Bescheide wurden bereits 4.200 Widersprüche eingelegt.
Nach den Variantenberechnungen des WAV käme es bei Verzicht auf Altanschließer-Beiträge und Rückzahlung der bereits gezahlten Beiträge in einem Betrag zur Erhöhung des Trinkwasserpreises um 0,33 €/m³ und 1,05 €/m³ bei Abwasser. Würde auf Beiträge verzichtet und die Rückzahlungen über 10 Jahre gestreckt, so würde nach der Variantenberechnung des WAV eine Erhöhung des Trinkwasserpreises um 0,60 €/m³ und des Abwasserpreises um 1,70 €/m³ die Folge sein.

Umstellung auf Gebühren-Modell fand bisher keine Mehrheit
Ein Bürgerantrag, eingebracht von der Bürgerinitiative auf dem Gebiet des WAV, von den LINKEN mehrheitlich unterstützt, der die Umstellung der Finanzierung auf ein reines Gebührenmodell forderte, fand in der Stadtverordnetenversammlung Bernau im Oktober 2013 keine Mehrheit.
Das brachte - nach über 6000 gültigen Unterschriften, die die Initiative dafür gesammelt hatte und nahezu 20 Protest-Demonstrationen in den letzten Monaten auf dem Bernauer Marktplatz - das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen.
Es führte zum jetzigen Bürgerbegehren zur Abwahl des Bernauer Bürgermeisters, der gleichzeitig Verbandsvorsteher des WAV und nach wie vor zu keinen Zugeständnissen an die Bürgerinitiative bereit ist. DIE LINKE in Bernau unterstützte das Bürgerbegehren bisher nicht, weil mit der Abwahl des Bürgermeisters das Problem der Altanschließer noch lange nicht gelöst ist.

Wie nun weiter?
Im Oktober 2013 hat DIE LINKE einen erneuten Kompromiss-Vorschlag in die Stadtverordnetenversammlung Bernau eingebracht. Die Vertreter der Stadt Bernau in der Verbandsversammlung des WAV werden aufgefordert, den Entwurf einer neuen Satzung des WAV zu erarbeiten. Dazu wird eine Arbeitsgruppe gebildet, der neben Vertretern des WAV je ein Vertreter jeder Fraktion sowie drei von den Fraktionen benannte unabhängige Sachverständige sowie ein Vertreter der Bürgerinitiative angehören.
Die Arbeitsgruppe hat die Aufgabe, Änderungen der Satzung in Bezug auf eine mögliche Umstellung auf eine reine Gebührenfinanzierung und die möglichen Folgekosten noch einmal ergebnisoffen zu prüfen. Gleichzeitig soll die Frage eines hauptamtlichen Verbandsvorstehers geprüft werden. Für diese Arbeitsgruppe stimmten 21 der 36 Bernauer Stadtverordneten.

Das Ergebnis soll der SVV bereits im Januar 2014 vorgelegt werden.
Ein ambitioniertes Ziel. Ob es erreicht wird und ob man einen tragfähiges Ergebnis auf den Tisch legen kann, dass dann eine Mehrheit der Stadtverordneten überzeugt, wird nicht zuletzt von der sachorientierten Arbeit dieses Gremiums abhängen.

Margot Ziemann, Stadtverordnete Bernau