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Vertrauen bringt das Beste im Menschen ans Licht

Interview mit André Stahl (LINKE), seit einem Jahr Bürgermeister in Bernau

Ende September 2014 wählten die Bernauerinnen und Bernauer ein neues Stadtoberhaupt. In der Stichwahl setzte sich André Stahl (LINKE) durch. Der Rechtsanwalt war zuvor 7 Jahre lang ehrenamtlicher Bürgermeister in Biesenthal. Die Neuwahl war nach einer Abwahl des vorhergehenden Bernauer Bürgermeisters im März 2015 notwendig geworden. André Stahl stellte sich den Fragen der Offene-Worte-Redaktion.
Herr Stahl, Sie sind Mitte Oktober durch Schmierereien massiv bedroht worden. Wie gehen Sie damit um?
Ich sehe da nur eine Möglichkeit: Ignorieren und das tun, wofür ich gewählt wurde: Weiterarbeiten.
Ist Bürgermeister von Bernau zu sein eigentlich das gleiche, wie der Bürgermeister von Biesenthal zu sein, nur ein bisschen größer?
Ja und nein. Ja, weil die Anliegen der Menschen in Bernau und Biesenthal sich doch sehr ähneln und auch in beiden Städten die Ortsteile ein reges Eigenleben besitzen. So etwas kannte ich also schon. Nein, weil die angespannte Stimmung in Bernau zu Beginn meiner Amtszeit hohe Erwartungen an „den Neuen“ weckte, denen ich mich stellen musste, weil eine größere Stadt natürlich auch mehr thematische Baustellen aufweist und weil ich mich in meiner Arbeit auf einen viel größeren Verwaltungsapparat stützen kann.
Was hat Sie am neuen Amt am meisten überrascht?
Am meisten überrascht hat mich, wie viele Bürgerinnen und Bürger, Vertreter von Vereinen, Interessengruppen und Ortsteilen gleich zu Beginn der Amtszeit einen guten Draht zu mir herstellen wollten und die Terminkaskade gleich zu Beginn losging und einfach nicht abebbte. Da hatte sich offensichtlich einiges an Themen aufgestaut, die gleich angegangen werden mussten.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit der Verwaltung?
Mit der Verwaltung läuft die Zusammenarbeit gut. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde ich überwiegend positiv empfangen. Zunächst musste ich mich erst daran gewöhnen, dass ich nicht mehr alles selbst erledigen muss und mir auch zuarbeiten lassen kann. Doch ich habe von Anfang an ganz auf die Fähigkeiten und die Erfahrung der Mitarbeiter vertraut, ganz nach dem Motto: „Vertrauen in einen Menschen bringt das Beste in ihm ans Licht.“ Für manche war dieses Vertrauen fast ungewohnt. In den ersten Monaten mussten ein paar Umbaumaßnahmen gemacht werden, etwa die Dezernate entflechten und thematisch sinnvoll zusammenfügen. Nun haben wir zum Beispiel wieder ein Baureferat – angesichts des derzeitigen Bevölkerungszuwachses ein absolutes Muss!
Und wie klappt die Zusammenarbeit mit den Stadtverordneten?
Auch die Zusammenarbeit mit den Stadtverordneten ist im Großen und Ganzen recht ordentlich. Die LINKE ist immer noch die größte Fraktion, das macht manches leichter. Zwar ist die Stadtverordnetenversammlung seit 2014 fraktionierter und polarisierter als die zuvor, doch insgesamt ist die Stimmung friedlicher als in der Endphase der letzten Wahlperiode. Ich wünsche mir keine Friedhofsruhe in Bernau – man kann seinen Unmut ruhig mal äußern! Aber ein Mindestmaß an gegenseitigem Respekt und ein Interesse an echten, gesichtswahrenden Lösungen für Alle muss einfach da sein. Eben dies, der Umgang miteinander, hat sich zum Glück wieder gebessert im letzten Jahr. Meist ist ein konstruktives Zusammenarbeiten möglich und das ist angesichts der kommenden Aufgaben auch wirklich wichtig.
Im Wahlkampf haben Sie versprochen, dass Sie „gestalten, nicht nur verwalten“ wollen. Wo haben Sie Bernau im ersten Jahr gestaltet?
Zunächst braucht man die Werkzeuge, um wirklich gestalten zu können. Der schon erwähnte Umbau der Verwaltung sorgt dafür, dass man brauchbare Werkzeuge zur Hand hat. Das sind zwar „nur“ Vorarbeiten und Verwaltungsinterna ist nicht das interessanteste Thema für Bürgerinnen und Bürger, aber tatsächlich ist das wichtig. Vieles spielte sich auch nicht öffentlich wahrnehmbar ab, aber es gab hier schon viel zu tun. Nun haben wir vier Dezernate, deren Ämter sachlogisch zusammenpassen. Das reduziert Abstimmungsverluste zwischen den Ämtern erheblich. Wir haben seit ein paar Monaten eine neue, sehr kompetente Finanzdezernentin. Das schon erwähnte Baudezernat ist neu. Nun können wir schneller auf den Besiedlungsdruck reagieren und Wohnungen bauen. 2.500 neue Wohnungen bis 2020 sind mein Ziel – bislang sind wir schon gut dabei! Andere Themen sind derzeit „in der Mache“ und werden erst in ein paar Monaten Früchte tragen, zum Beispiel der innerstädtische Verkehr, der öffentliche Nahverkehr und der Gesundheitsstandort Bernau.
Was sind die Themen, die in Ihrem zweiten Amtsjahr am wichtigsten sein werden?
Ganz klar die Frage nach der Unterbringung der Flüchtlinge. Man darf die Fragen der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere der Anwohner, nicht beiseite wischen, aber man muss auch ein ganz feines Gespür besitzen, wo die Grenze zwischen echter Sorge und geschickt verpacktem Vorurteil verläuft. Man braucht beides: echtes Verständnis aber auch Mut. Doch ich bin nicht gerade ängstlich und das darf man bei Aufregerthemen auch nicht sein. Ich habe dieses Amt angestrebt, bin gewählt worden und nun mache ich meinen Job eben bestmöglich mit Einsatz und Leidenschaft. Auch das Thema Haushalt wird uns beschäftigen, ebenso die Dauerbrenner Verkehr und Bauen sowie die Stärkung des Gesundheitsstandorts Bernau. Es gibt viel zu tun!
(OW-Beitrag)