Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Der einstige „bunte Vogel“ der PDS, Angela Marquardt

… war am 24. Januar zu Gast bei der Veranstaltung „Offene Worte“ mit Dagmar Enkelmann. Dass die Politikerin, zeitweilig stellvertretende Parteivorsitzende der PDS und von 1998 bis 2002 für diese als Abgeordnete im Bundestag tätig, 2008 die „Seite gewechselt“ hat und in die SPD eintrat, scheint ihrer Popularität wenig geschadet zu haben. Zumindest war der „Treff 23“ fast voll besetzt und nicht wenige Teilnehmer ließen sich ihr Buch „Vater, Mutter, Stasi“ im Anschluss signieren.

In der Tat kann die 44-Jährige auf eine bewegte Biografie verweisen. 1971 geboren und in Greifswald aufgewachsen, erlebte sie als Jugendliche den Zusammenbruch der DDR mit all den Verwerfungen, die u. a. auch fast den Abiturabschluss 1990 verhindert hätten. Über Kontakte zur Punk- und Hausbesetzerszene landete sie schließlich bei der PDS und engagierte sich dort in der AG Junge Genossen. „Nicht so sehr aus ideologischer Überzeugung“, wie sie betonte, sondern eher als Ergebnis eines „dynamischen Prozesses“. Aufgefallen ist sie damals vor allem durch ihr bunt gefärbtes Haar, was einen markanten Kontrast zum öffentlichen Bild der Parteiaktivisten darstellte.
Ab Februar 1992 war sie in Berlin hauptamtlich für die PDS tätig. Als Judoka ursprünglich an einem Sportstudium interessiert, später ein Theologiestudium in Betracht gezogen, begann sie letztlich 1995 mit einem Studium der Politikwissenschaften, das sie allerdings erst 2005 abschloss, nachdem sie 2002 ihr Bundestagsmandat verloren hatte. Es sei ein ständiger „Spagat zwischen Politik und Studium“ gewesen, bekannte Frau Marquardt offenherzig.

Natürlich interessierten sich die Zuhörer vor allem auch für ihre Beweggründe, die PDS 2003 zu verlassen. Da waren einerseits nach der Schlappe bei der Bundestagswahl 2002 die innerparteilichen Auseinandersetzungen zum weiteren Kurs der Partei, u. a. die Vorstellungen, die PDS zu einer „Ostpartei“ zu profilieren, was der Politikerin als „bekennende Bundesbürgerin“ arg gegen den Strich ging. Auch verlief die Debatte über die Geschichte der Partei und der DDR nicht zu ihrer Zufriedenheit, nahm sie doch eine deutlich kritischere Position dazu ein als ein Großteil der Parteimitglieder. Das umso mehr, da sie während ihrer Abgeordnetentätigkeit mit massiven Vorwürfen über eine Stasi-Verstrickung konfrontiert wurde. Das Studium ihrer MfS-Akte brachte ans Licht, dass sie bereits als 15-Jährige „manipuliert“ und ihr weiterer Lebensweg bis 1995 von der DDR-Staatssicherheit „vorprogrammiert“ wurde. Somit wird verständlich, wenn sie heute davon überzeugt ist, dass die DDR ein „Unrechtsstaat“ gewesen sei. Schließlich gewann sie den Eindruck, dass „alles sinnlos geworden“ war, wie sie erklärte.

Nach Abschluss ihres Studium und einer „langen Suche nach einem Job“ nahm sie 2006 schließlich das Angebot der SPD-Politikerin Andrea Nahles an und wurde ihre Mitarbeiterin im Bundestag – übrigens unter der Bedingung, nicht in die SPD eintreten zu müssen. Sie wurde aktiv integriert in die damalige Programmdebatte der SPD und erst 2008 ihr Mitglied. Zurzeit arbeitet sie als Geschäftsführerin des Arbeitskreises Denkfabrik der SPD, eines Zusammenschlusses von überwiegend jüngeren linken SPD-Abgeordneten.
Ein Thema in diesem Arbeitskreis ist die Perspektive eines rot-rot-grünen Bündnisses. Bereits 2001/2002 gab es dazu überparteiliche Gesprächsrunden. Obwohl sie die große Koalition als „Notlösung“ betrachtet, hegt Frau Marquardt gegenwärtig jedoch große Skepsis hinsichtlich dieser politischen Alternative auf Bundesebene.

Als Fazit der Veranstaltung konnte der geneigte Zuhörer den Eindruck gewinnen, dass das Herz von Angela Marquardt noch immer links schlägt, auch wenn sie z. T. deutlich gegensätzliche Positionen zur Politik der Linkspartei vertritt. Zudem erscheint ihre Haltung teilweise widersprüchlich: Einerseits überzeugte Antifaschistin, andererseits gegen ein Verbot der NPD. Einerseits Kritikerin der Parteistrukturen als „realitätsfremd“, andererseits Verfechterin des Parlamentarismus als demokratische Errungenschaft. Trotzdem: Sie bleibt Verbündete im Kampf um eine bessere Welt.
W. Kraffczyk