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„Journalismus ist niemals unparteiisch“ …

Gastgeberin Dagmar Enkelmann und Tom Strohschneider

… ist der Chefredakteur der Tageszeitung „neues deutschland“, Tom Strohschneider, überzeugt. Er war am 6. September Gast bei einer weiteren Veranstaltung der Gesprächsreihe „Offene Worte mit Dagmar Enkelmann“ im fast voll besetztem „Treff 23“ in Bernau.

Doch bevor es um die Zeitung und das politische Geschehen ging, wurde im lockeren Gespräch der Werdegang des charismatischen Journalisten nachgezeichnet, der 1974 in Friedrichshain in einem Krankenwagen auf dem Weg in die Klinik das Licht der Welt erblickte. Zur Wendezeit, die für ihn „prägend“ war, besuchte er als Volleyballer die Kinder- und Jugendsportschule. Nach „mäßigem“ Abi-Abschluss und Zivildienst mit „widersprüchlichen Erfahrungen“ nahm er ein Studium an der Humboldt-Universität auf. Er habe während der 18 oder 19 Semester verschiedenes ausprobiert, meinte der Gast – Kunsttheorie (Ästhetik), Geschichte, Politikwissenschaft und Soziologie –, die Studienzeit aber auch voll genossen. Seine Abschlussarbeit beschäftigte sich mit dem Wirken der Jugendbrigaden in der DDR, worüber später auch ein Buch erschien.
Der Einstieg in den Journalismus begann im Jahr 2000 mehr zufällig mit einem Volontariat beim „nd“. 8 Jahre war er dann im Innenressort tätig, bevor er einen „Abstecher“ zur Wochenzeitung „Freitag“  und der „taz“ wagte. 2012 kehrte er zum „nd“ zurück und übernahm gemeinsam mit Jürgen Reents die Chefredaktion. Anfang 2013 übernahm er die alleinige Verantwortung für die Redaktion der Tageszeitung.
Die Frage nach seiner Bilanz als Chefredakteur beantwortete Strohschneider mit den Worten „auf den ersten Blick selbstkritisch“. Trotz durchgesetzter Veränderungen „auch gegen die Mitarbeiter“ sinkt die Auflage tendenziell weiter, was zu ökonomischen Zwängen führt. Ursachen dafür gebe es viele, u. a. auch ein fehlendes Vertriebszentrum im Westen. Andererseits konnten neue Abonnenten gewonnen und im wichtigen Gebiet Berlin-Brandenburg positive Zahlen geschrieben werden. Grundsätzlich haben Zeitungen nach Ansicht des Gastes eine gute Zukunft und müssten Online-Medien als Konkurrenz nicht fürchten. Auch das „nd“ als linkes Blatt habe viel Spielraum als Angebot für vom Mainstream abweichende Meinungen und Blickwinkel auf die gesellschaftliche Entwicklung.

Dies wurde in der anschließenden Diskussion von einigen Teilnehmern positiv unterstrichen. Gerade in der Berichterstattung über die Entwicklung in Griechenland hob sich das „nd“ von vielen anderen Blättern angenehm ab, wozu Strohschneider mit seinen Kommentaren und Analysen aktiv betrug. Die Hoffnungen, die an die Syriza-Regierung geknüpft wurden, waren groß, doch die europäische Linke habe die Möglichkeiten überschätzt. Diese Grenzen für Veränderungen in Europa aufgezeigt zu haben, sei ein großer Erfolg und müssen ausgewertet werden, meinte der Gast. Die Kluft zwischen politisch-ökonomischer Vernunft und politischer Praxis seien deutlicher geworden. Insofern bestehe kein Grund über eine „Kapitulation“ von Syriza zu klagen. Ein „Grexit“ wäre keine echte Alternative und hätte die politischen Spielräume für die politische Linke nicht vergrößert, ist Strohschneider überzeugt.

Als nach 2 Stunden der Veranstaltung zwangsweise ein Ende gesetzt wurde, erhielt der Gast viel Beifall von den Teilnehmern, der ihn sicher in seinem Bestreben als Journalist, gesellschaftliche Alternativen aufzuzeigen und somit als Parteiloser „Partei zu ergreifen“, bestärkt hat. Nun fehlen nur noch ein paar neue Abonnenten für seine Tageszeitung …
W. Kraffczyk