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Offene Worte um Heimerziehung

Schriftstellerin Nicole Glocke zu Gast bei Dagmar Enkelmann

Dagmar Enkelmann und Nicole Glocke

Die Schriftstellerin Nicole Glocke, 1969 in Bochum geboren, hat eine bewegte Familiengeschichte. Als Tochter des Westspions der Staatssicherheit Karl-Heinz Glocke musste sie im Alter von neun Jahren die Verhaftung ihres Vaters miterleben. Tage zuvor war Werner Stiller, Oberleutnant in der MfS-Hauptverwaltung Aufklärung, mit Koffern voller Dokumente in den Westen übergelaufen. Das recherchierte Nicole Glocke viele Jahre später, denn in der Familie wurde darüber nicht gesprochen. Im Verlauf ihrer Nachforschungen lernte sie Edina Stiller, die Tochter Werner Stillers, kennen. Gemeinsam mit ihr entstand das autobiographische Buch „Verratene Kinder“.

Später stieß Nicole Glocke, wie sie am Sonntag beim Talk „Offene Worte mit Dagmar Enkelmann“ schilderte, auf das Thema Heimerziehung. Rund 300.000 Kinder und Jugendliche sollen in der DDR in 450 staatlichen Kinderheimen, 35 Spezialheimen und 30 Jugendwerkhöfen aufgewachsen sein. Im Buch von Nicole Glocke „Erziehung hinter Gittern“ schildern Betroffene, wie sie den geschlossenen Jugendwerkhof Torgau im wahrsten Sinne des Wortes als Hölle erlebten. Heimerziehung in der DDR sei allerdings nicht nur mit Übergriffen verbunden gewesen, wurde aus dem Publikum eingewandt. Ein Besucher berichtete persönlich über seinen Heimaufenthalt als schwererziehbares Kind.

Deutlich wurde, dass es bei den Debatten über dieses Geschichtskapital noch Nachholbedarf gibt. Insofern sind Recherchen über diese Zeit wichtig, zugleich kann es dabei nicht einseitig um die Zustände der geschlossenen Anstalt Torgau gehen. Bis Ende 2011 soll nunmehr ein Entschädigungsfonds für ehemalige Heimkinder von 120 Millionen Euro eingerichtet werden – bisher jedoch nur für Betroffene in westdeutschen Heimen. Paradox daran sei auch, merkte Dagmar Enkelmann an, dass der Anteil des Bundes am Fonds aus dem Budget des Familienministeriums abgezweigt werden soll.

B. Mierau (Text und Bild)