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Als Ärztin in Burkina Faso

Angela Sonnek berichtete im Bernauer Roten Salon über ihren Einsatz im Rahmen eines Hilfsprojektes

Foto 1: Nur noch 1,6 km bis zum Hospital: Auch der weiteste Weg hat schließlich ein Ende.

Wie lange mag die kleine Melinda (Name von der Redaktion geändert) mit ihrer Mutter gelaufen sein, bis sie in der Klinik ankam? Einen Tag? Zwei Tage? (Foto 1) Ihr Bauch war so dick angeschwollen, als sei sie hochschwanger, dabei ist das Mädchen doch erst acht Jahre alt (Foto 2). Sie hatte große Schmerzen. Das Ärzteteam um Dr. Theo Emmanouilidis fand mit seinem aus Europa mitgebrachten Ultraschallgerät (Foto 3) bald heraus, dass sich in der einen Niere eine riesige Zyste gebildet hatte. Da gab es nur eine Möglichkeit, das Leben des Kindes zu retten: Die kranke Niere musste entfernt werden (Foto 4). Das ist für erfahrene Ärzte keine allzu schwierige Operation, und mit nur einer Niere lebt es sich auch ganz gut. So konnte das Mädchen gerettet werden.

Foto 2: Die kleine Melinda vor der Operation.
Foto 3: Dr. Emmanouilidis untersucht Melinda per Ultraschall.
Foto 4: Auf dem OP-Tisch.

Angela Sonnek ist Anästhesistin und arbeitet in der Notaufnahme des Helios Klinikums Berlin-Buch. Sie berichtete am 18. April im Bernauer "Roten Salon" von ihrem Einsatz, bei dem sie im vergangenen Februar schon zum zweiten Mal während ihres Urlaubs freiwillig an einer 14-tägigen Hilfsmission in Ouahigouya, einer nördlichen Provinzstadt von Burkina Faso, teilnahm. Dort gibt es ein Krankenhaus, das nach lokalen Maßstäben ganz leidlich, nach europäischer Lesart aber äußerst bescheiden ausgestattet ist (Foto 5 und 6). Für kompliziertere Fälle fehlt es fast an allem und jedem. Das medizinische Personal ist guten Willens, aber sehr schlecht ausgebildet und arbeitet häufig nach dem Mañana-Prinzip. Die Geräte befinden sich - an europäischen Standards gemessen - in schlechtem Zustand, und die abgelaufene Batterie im Steuergerät eines Narkoseapparats kann durchaus zum Tod eines Patienten führen. Das geschah tatsächlich, während Angela Sonnek dort war. Zudem arbeitet das Hospital nicht unentgeltlich, nur besser gestellte Leute können sich also eine Behandlung leisten. Wer nicht zahlen kann, muss im Ernstfall sterben. Es gibt nur wenige Krankenschwestern, Angehörige müssen mitkommen und die frisch Operierten mit allem Nötigen versorgen, Essen kochen, Umschläge wechseln usw. Diese Situation dürfte in den Provinzkrankenhäusern Burkina Fasos und vieler anderer Entwicklungsländer Standard sein.

Foto 5: Das Krankenhaus in Ouahigouya ...
Foto 6... ist äußerst bescheiden ausgestattet.

Weil das so ist, hat der griechische Arzt Dr. Emmanouilidis vor 27 Jahren die Hilfsorganisation Hammer Forum e.V. gegründet. Sie ist in vielen Drittweltländern aktiv. Dr. Emmanouilidis und sein für jeden Einsatz neu zusammengestelltes Team besucht in regelmäßigen Abständen bestimmte Kliniken in den ärmsten Ländern dieser Erde. Die nötigen Gerätschaften, einschließlich Ultraschall- und Narkosegerät, werden mitgebracht, um innerhalb einiger Wochen die nötigen - und möglichen - Operationen kostenlos durchzuführen. Alle Patienten zu behandeln, ist undenkbar, daher beschränkt man sich auf die Kinder. Die Ankunft des Teams spricht sich schnell von Mund zu Mund herum, die Eltern - meist die Mütter - kommen mit ihren kranken Sprösslingen oft von weither, um sie den Ärzten aus Europa zu präsentieren.

Foto 7: Wer hier lebt, ist vielen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt und braucht ein besonders starkes Immunsystem. Voraussetzung dafür ist aber eine gesunde Ernährung

Nun muss eine Diagnose gestellt und die Schwere des Falles beurteilt werden. Leider kann nicht jedem Kind geholfen werden, denn manche Krankheit ist in der verfügbaren Zeit und mit den vorhandenen Mitteln nicht therapierbar. Häufig werden zum Beispiel Kinder mit schweren Knochenentzündungen vorgestellt, für die letztlich ein geschwächtes Immunsystem verantwortlich ist (Foto 7). In Afrika bleibt diesen Patienten oft nur die Amputation des betroffenen Körpergliedes. Nicht selten sind aber so weite Körperregionen betroffen, dass auch das nicht geht. Trotz großer Schmerzen müssen solche Kinder wieder nach Hause geschickt werden. Ähnliches gilt für Fälle von Elefantiasis, worunter man abnorme Schwellungen durch einen Lymphstau versteht. Wenn es hart auf hart kommt, muss auch hier das betroffene Körperglied entfernt werden - sofern die Krankheit noch nicht zu weit um sich gegriffen hat.

Vielen jungen Patienten kann aber ohne drastische Maßnahmen geholfen werden, etwa durch Wunddesinfektion oder kleinere Eingriffe, zum Beispiel bei Leistenbrüchen oder Blasensteinen. Nach Verbrennungen führt das Team häufig Hauttransplantationen durch. Die Arbeit der Ärzte vom Hammer Forum ist also enorm segensreich und entschädigt die freiwilligen Helfer für die Mühen, die sie - natürlich ohne Bezahlung - auf sich nehmen. Neben den klimatischen Erschwernissen und den fehlenden Annehmlichkeiten der Zivilisation stellen auch die Arbeitsbedingungen eine ernste Herausforderung dar. Sicher fällt es angesichts der vielfältigen Bedürfnisse in der Bevölkerung nicht leicht, Hilfe aus Mangel an Material und Kapazitäten zu versagen. Angela Sonnek berichtete außerdem, dass die Verhältnisse in einem afrikanischen Krankenhaus äußerst gewöhnungsbedürftig sind und nicht selten eine hohe emotionale Belastung darstellen. Nicht alles kann in ausreichender Menge mitgebracht werden. Vieles wird nach entsprechender Reinigung mehrfach verwendet, was man in einer deutschen Klinik nach einmaligem Gebrauch entsorgen würde. Zudem gestaltete sich die Zusammenarbeit mit den einheimischen Kollegen am Krankenhaus schwierig, denn sie sahen die Mitglieder des weißen Ärzteteams als Konkurrenz an, die besser ausgebildet und ausgestattet ist und die eigene Arbeit bei den Patienten in den Schatten stellt. Denn die Leute wissen, dass sie nach der Abreise der westlichen Helfer wieder für schlechtere Leistungen bezahlen müssen.

Immerhin ist die Arbeit des Hammer Forums so angelegt, dass zweimal im Jahr ein Team an den gleichen Ort zurückkehrt. Wo es nötig ist, kann eine Nachsorge oder sogar eine Nachoperation durchgeführt werden. Allerdings geht das nicht immer und nicht überall: Angela Sonnek würde es sich ernsthaft überlegen, wieder nach Ouhaigouyain im Norden Burkina Fasos zurückzukehren, weil sich die Sicherheitslage dramatisch verschlechtert hat. Während ihres diesjährigen Aufenthaltes wurde in der Hauptstadt Ouagadougou ein Anschlag auf die französische Botschaft und das Regierungsviertel durch islamistische Terroristen verübt. Außerdem grenzen die nördlichen Landesteile Burkinas an Mali, von wo potentielle Attentäter einsickern. Ein anders Beispiel: Im Jemen gab es vor einigen Jahren noch ein Krankenhaus, an dem das Hammer Forum tätig war. Das wurde jedoch durch Bombardements dem Erdboden gleichgemacht, an eine Rückkehr ist nicht zu denken. Sicher werden die Helfer vom Hammer Forum aber im Rahmen ihrer Kräfte für Kinder in Not weiterhin alles tun, was ihre Lage nur irgend erleichtern kann.

Klaus Kleinmann (© für Text und Fotos)

(Dank an Angela Sonnek für die Fotos und die fachliche Durchsicht des Artikels)