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Europa: Das Heilmittel heißt Solidarität

Die Linksfraktion im EU-Parlament stellte letzte Woche Vorschläge für die EU „nach der Pandemie“ vor

Die Welt kann nach dieser Pandemie eine grundlegend andere sein. Covid-19 führt uns vor Augen: Das kapitalistische System funktioniert nicht. Neoliberale Wirtschaftspolitik, Klimakrise, Verkauf öffentlicher Dienstleistungen, Angriffe auf Arbeitnehmer*innenrechte – Sinnbild eines funktionalen Versagens. Die uns alle treffende Pandemie bietet jedoch die Chance eines Wechsels zu einer Gesellschaft, die auf anderer Logik aufbaut: Gesundheit, Natur und Menschenrechte in den Mittelpunkt stellen, nicht den Profit. In einer Zeit, in der Solidarität eine zentralere Rolle spielt, erkennen immer mehr, dass Wirtschaftswachstum mit seinen negativen Auswirkungen für Umwelt und Menschenrechte den Weg in eine lebenswerte Zukunft für alle verhindert. Beginnen wir die Arbeit an dieser Zukunft jetzt: in Brandenburg, Deutschland, den EU-Institutionen. Hin zu einem Europa, das Grundrechte und Demokratie garantiert, regional wie global auf sozial-ökologisches Wirtschaften setzt und die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 umsetzt. Das für gerechte Lebens-verhältnisse und friedliche, gleichberechtigte Zusammenarbeit in der Welt steht.

Die Linksfraktion im EU-Parlament legte letzte Woche Vorschläge für ein Europa nach der Pandemie vor, die einen Pakt für nachhaltige Entwicklung und Beschäftigung beinhalten sowie die Ausrichtung des Mandats der Europäischen Zentralbank an einer den Menschen und dem Planeten dienenden Währungspolitik. Der Plan „Solidarität heißt die Heilung“ benennt die beispiellose Natur der Gesundheits-, Wirtschafts- und Sozialkrise, mit der die EU heute konfrontiert ist; und die seit der Finanzkrise 2008 begangenen Fehler. Er verbindet konkrete Angebote für eine Vision für Europa mit gemeinschaftlichen Aufgaben für die EU. Wir fordern die Finanzierung der Erholung durch eine höhere Besteuerung großer Unternehmen und vermögender Privatpersonen sowie durch eine Finanztransaktionssteuer, um die arbeitenden Menschen nicht zur Zahlung der Kosten der Krisen zu zwingen. Der „grüne Übergang“ ist Bedingung für die Erholung – wir fordern CO2-Neutralität bis 2040. Wir fordern Unterstützung der EU für Gesundheitseinrichtungen und Produktionsstätten für die zügige Mobilisierung von Pflege und Versorgung. Letztlich müssen Kontaktverfolgungs-Apps die Privatsphäre und Grundrechte respektieren.

All das erfordert eine Neuorientierung der EU-Politik. Die aktuelle Krise offenbart die politische Spaltung innerhalb der EU und ihre konstitutionellen Schwächen. Zu oft steht Egoismus als Grundprinzip machtpolitischen Gezerres um nationale Vorteile der EU entgegen. Keine Gemeinschaft der Welt kann dauerhaft bestehen, wenn einige mehr als andere von dessen Mitgliedschaft protieren.

Helmut Scholz, Abgeordneter DIE LINKE. im Europaparlament

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Das von Helmut Scholz genannte Dokument - "Das Heilmittel heißt Solidarität - neue Wege für Europa nach der Pandemie" untergliedert sich in nachfolgende Abschnitte:

  • Gesundheit vor Profit
  • Arbeitnehmerrechte verteidigen, soziale Gerechtigkeit schützen
  • Eine wirtschaftspolitische Initiative, die den Menschen und dem Planeten gerecht wird
  • Demokratie, Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit bewahren
  • Überdenken

In der Einleitung heißt es:
Mit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie waren die Institutionen der Europäischen Union gefordert, entschiedene und energische Maßnahmen zu ergreifen. Doch diese kamen zu spät und die Solidarität fehlte. Außerdem blieben sie weit hinter dem zurück, was nötig gewesen wäre, um eine Krise dieses Ausmaßes zu bewältigen.

Maßnahmen, die in Bedrängnis geratene Mitgliedstaaten stützen und eine wirtschaftliche und sozialen Erholung fördern sollen, wurden weder rechtzeitig noch in hinreichendem Umfang ergriffen. Überdeutlich zeigten sich so die Folgen der neoliberalen Politik der EU und die fehlende Bereitschaft zur Koordinierung und Solidarität unter den Mitgliedstaaten.

Ohne Zweifel waren es die Arbeitnehmer*innen, die im Kampf gegen das Coronavirus an vorderster Front standen. Beschäftigte in Krankenhäusern und Apotheken, Pćeger*innen, Reinigungskräfte, Verkäufer*innen im Einzelhandel und viele andere erleben eine schwierige Zeit, in der sie oftmals ihr Leben aufs Spiel setzen. Gefährdete Bürger*innen und die Gesellschaft als Ganzes stellten sich an die Seite dieser Beschäftigten. Angesichts der Schwere der Krise verlangten sie sofortige Lösungen und einen Wiederaufbau der öffentlichen Dienste, die über Jahrzehnte dem Kreuzfeuer der Ideologen des freien Marktes ausgesetzt waren.

Die Politik der Kürzungsdiktate, Austerität genannt, der Privatisierung und Deregulierung hat die Gesundheitssysteme ausgehöhlt und Arbeitnehmer*innen schwere Schäden zugefügt. Ein klarer Bruch mit dieser Agenda ist von zentraler Bedeutung.

Die EU muss in vier zentralen Bereichen handeln. Sie muss die öffentlichen Gesundheitssysteme stärken; Arbeitsplätze schaffen und eine verbesserte soziale Sicherheit durchsetzen; die EU muss die ökonomische und soziale Krise bekämpfen und gleichzeitig eine umwelt- und sozialverträglichen Erholung sicherstellen; und die Grundrechte achten.

Sobald der derzeitige Leidensweg hinter uns liegt, wird die Welt eine andere sein. Wir werden die alten Zustände nicht einfach zurückholen und wir sollten auch das alte System, das uns hierhergebracht hat, nicht zurückholen. Wir können die nötigen Lehren ziehen und mit Blick auf die Zukunft andere Entscheidungen treffen. Trotz der Belastungen und Sorgen, die mit der Pandemie einhergingen, fanden viele Gemeinschaften zueinander und viele erkannten, wie wichtig die Arbeit ist, die – bislang vielmals kaum beachtete – Beschäftigte leisten. Die Solidarität, die wir in Gemeinschaften auf lokaler Ebene beobachten konnten, muss in einen breit angelegten Wandel münden. In diesem Sinne müssen wir für eine wirtschaftliche Neubelebung kämpfen, die Gleichheit, Grundrechte, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellt.

Die zurückliegenden Monate haben deutlich gemacht, dass das Wohlbefinden des Einzelnen vom Wohl aller abhängt. Deshalb gilt es nun, die sich bietende Chance zu ergreifen, indem wir unsere öffentlichen Gesundheitssysteme stärken und ein Sicherheitsnetz schaffen, das allen Beschäftigten zugutekommt. Auch muss dafür gesorgt werden, dass die öffentlichen Investitionen, die das Wachstum ankurbeln, im Einklang mit dem erforderlichen sozialen und ökologischen Umbau stehen.

Eine von Kooperation geprägte Bewältigungsstrategie der Corona-Krise (für die nicht zuletzt der globale Charakter dieser Krise spricht), ist eine Chance, Wege in eine bessere Zukunft für uns alle zu ersinnen, egalitäre Gesellschaften zu errichten, die Fortschritt und soziale Rechte sichern, und zugleich Klimagerechtigkeit und Demokratie für alle zu wahren.

Manon Aubry und Martin Schirdewan,
Ko-Vorsitzende der GUE/NGL-Fraktion
im Europäischen Parlament