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Meinungsäußerung zur Tagesordnung und Thematik der Mitgliederversammlung am 29.4.2023

Zur Thematik möchte ich einige Bemerkungen machen. Wahlvorbereitungen sind eine wichtige Sache, doch meint Ihr, dass wir so ohne Weiteres zur Tagesordnung übergehen können? Das Erscheinungsbild unserer Partei ist eine wichtige Grundlage für Wahlentscheidungen; danach kommen personelle Angebote und ganz zum Schluss regionale Themen; zumindest in meiner Wahrnehmung. 

Gerade in einer der wichtigsten Fragen der Gegenwart eiern wir herum. Unsere Friedenspositionen aus dem Erfurter Programm wurden in Zeiten des Friedens beiläufig zur Kenntnis genommen, sie waren vorher nicht so wichtig. Doch heute, wo in Europa ein Krieg ist, dessen Ausgang eine Ausweitung auf die ganze Welt sein könnte, sind die Positionen des Erfurter Programms sehr, sehr wichtig!
Wenn sich heute führende Genossen für die Beibehaltung und sogar Ausweitung der NATO einsetzen, dann ist das der Skandal. Die NATO war noch nie ein Verteidigungsbündnis sondern immer ein Kriegsbündnis zur Sicherung der hegemonialen Interesse der USA und der kolonialen Interessen der ehemaligen europäischen Kolonialmächte. Früher war ihr Wirkungsbereich der Nordatlantikraum, doch nun hat sie ihn auf die ganze Welt ausgedehnt; deutsche Kriegsschiffe im südchinesischen Meer. 

Wer glaubt der Ukrainekrieg ist ein singuläres Ereignis, dem Hirn eines russischen Potentaten entsprungen, der geht der westlichen Propaganda auf den Leim und denkt nicht in Zusammenhängen. Dieses dialektische Denken in Zusammenhängen war einmal unser Markenkern. Liegt es an den jungen Neuzugängen, denen jede marxistische Schulung fehlt, oder an der Sozialisation im „guten Westen“, die nur die individuelle Freiheit hochhält und jeden Kollektivismus verdammt, dass die Fragen nach Ursachen und Wirkungen so auf der Strecke bleiben? Jedenfalls gibt es viel Diskussionsbedarf. Doch anstatt ernsthaft zu diskutieren wird der Krieg moralisierend betrachtet. Ja, natürlich ist er sowohl für die normalen Bürger der Ukraine als auch die Russlands ganz fürchterlich. Auch wenn Frau Baerbock das immer betont, ist Moral keine politische Kategorie. Mit Moral hätte es keine Revolution in der Geschichte gegeben. Anstand und Moral sind Eigenschaften des persönlichen Verhaltens; und dort gehören sie auch hin. Also Moral hilft uns nicht weiter, eher schon ein Blick auf die Dinge, die dem Krieg voraus gingen.

Seit 2004 in der „Orangenen Revolution“  und noch mehr 2013/14 im „Euro-Maidan“ versuchen die USA ihren wirtschaftlichen, militärischen und politischen Einfluss auf die Ukraine auszubauen, und nicht nur die Ukraine Georgien wäre als zweites Land zu nennen. Es geht um die Schwächung von Russland. Laut einer Aussage von Victoria Nuland am 28. Januar 2014, damals Staatssekretärin für Außenpolitik im amerikanischen Außenministerium, gegenüber dem amerikanischen Botschafter in Kiew, haben die USA fünf Milliarden Dollar für einen Systemwechsel in der Ukraine ausgegeben. Die Ukraine, 1991 gegründet, war von Anfang an Mitglied der „Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS)“ einer Nachfolgeorganisation der Sowjetunion. In ihrer ersten Verfassung ist der Status als blockfreier neutraler Staat verankert. Nach dem Maidan-Putsch änderte die Ukraine ihre Politik gegenüber Russland. Sie trat aus der GUS aus, verbot Russisch als Amtssprache und schränkte alles Russische im Inland ein; Parteienverbot und Medienverbot waren die Folge. Das waren die Ursachen für die Separatistenbewegungen im Donezk und die Besetzung und Annexion der Krim durch Russland. Das von Frankreich und Deutschland ins Leben gerufene Normandieformat mit den Minsker Verträgen versuchte einen friedlichen Ausgleich zu schaffen. Doch die Ukraine hielt sich nicht an die Vereinbarungen; heute wird von den deutschen und französischen Initiatoren zugegeben, dass die Minsker Verträge großangelegte Täuschungsmanöver waren, um der Ukraine Zeit zur Aufrüstung zu verschaffen. Seit 2014 ist im Donezkgebiet Krieg; vor allem wüten dort die rechtsnationalen Einheiten von „Assow“.

Im Dezember 2021 wäre der Krieg noch verhinderbar gewesen. Doch US-Präsident Biden ging auf keinen der Vorschläge von Putin ein. Es stellt sich die Frage der Motive der Beteiligten; wem nützt der Krieg? Ganz sicherlich nicht der Ukraine und ob er Russland nützt, ist auch sehr fraglich; zumindest die Beitrittsabsichten zur NATO der Skandinavier Schweden und Finnland nützen ihm nicht. Der größte Nutznießer ist die USA gefolgt von Norwegen. Warum sollte deshalb die USA ein Interesse an der Verhinderung des Kriegs gehabt haben? Es ist auch im amerikanischen Interesse Europa als wirtschaftlichen Konkurrenten klein zu halten. Der Rest Europas ächzt unter den Kriegslasten; Inflation und Energieknappheit mit deutlicher Verteuerung der Energieträger sind die Folgen. Wie sich die erhöhte Aufrüstung der Bundeswehr auf den Lebensstandard in der Bundesrepublik auswirken wird, bleibt noch abzuwarten. Anscheinend steht die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kindergrundsicherung auf der Kippe.

Letztlich dient das europäische Handeln im Krieg dem Erhalt des hegemonialen Anspruchs der USA. Die Europäer sollten über ihre Interessen nachdenken und sich vom Vasallenstatus gegenüber den USA lösen. In diesem Zusammenhang sind die jüngsten Äußerungen von Emmanuel Macron interessant. 

Kaum einem europäischen Land ist mit der Verlängerung des Kriegs gedient; deshalb Waffenstillstand und Verhandlungen ohne Vorbedingungen jetzt! 

Das zu den Kriegsursachen. Ist es in unserem Interesse, dem kollektiven Westen ideologisch zu folgen? Sind vielleicht einige unserer leitenden Genossen durch das System so korrumpiert, dass sie gar keinen Systemwechsel (demokratischer Sozialismus) wollen? Wenn ich sehe, wie Sahra Wagenknecht 50.000 Menschen am 25.2.23 anzieht und das bei schlechtestem Wetter und sie selbst in Bernau vor ausverkauftem Haus spricht, dann sollte das uns nachdenklich stimmen. 

Bevor wir solch auch wichtige Themen wie die Wahlvorbereitung 2024 besprechen, sollten wir Klarheit zu unseren Positionen finden. Ich spreche mich eindeutig für die Einheit unserer Partei aus aber möglichst mit Sahra und ihren Anhängern. Die Ratschläge an sie, sie solle möglichst schnell eine neue Partei gründen, gehen doch genau in die falsche Richtung. Diesen Ratschlaggebern entgegne ich, wer Probleme hat, mit Sahra um ihre Positionen zu ringen, der ist in unserer pluralistischen Partei (im Gründungsdokument vom 25. Februar 1990 enthalten) fehl am Platz und sollte sich eine andere Partei suchen. 
Michael Wetterhahn
Panketal am 11.4.2023