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Die "Eigentumsfrage" gestern, heute, morgen

Der "Treff 23" war an diesem Abend gut besucht.

Dies war das Thema der Veranstaltung aus der Reihe "Draufsichten, Ansichten, Einsichten", zu der der Bernauer Stadtvorstand am 7. Juni den bekannten Ökonom Prof. Dr. Thomas Kuczynski eingeladen hatte. Die Problematik wird gegenwärtig in den Basisorganisationen im Zusammenhang mit der begonnenen Debatte über das Programm der Partei intensiv diskutiert. Deshalb wurde die Versammlung auch zurecht als Beitrag zur Programmdiskussion deklariert.

Um es vorweg zu sagen: Eine fertige Antwort auf die Frage wurde an diesem Abend nicht präsentiert. Unbestritten bleibt zwar die Erkenntnis von Marx, Engels und anderen Theoretikern, dass das Privateigentum an Produktionsmitteln Ausbeutung ermöglicht, somit die Grundlage für die kapitalistische Produktionsweise bildet und letztlich in einer höher entwickelten Gesellschaft überwunden werden muss. Doch was an seine Stelle treten soll, ist bis heute umstritten.

Eindrucksvoll machte der Referent deutlich, dass eine "Vergesellschaftung" des produktiven Privateigentums noch keine Antwort darstellt. Die Geschichte hätte die Richtigkeit der Voraussage von Engels bewiesen, dass "Staatseigentum ... nicht die Lösung des Konflikts" bedeute. Und das genossenschaftliche Eigentum? Marx war der Überzeugung, so Prof. Kuczynski, dass der "Wert der Kooperativbewegung nicht überschätzt werden" könne. Aber im ehemaligen Jugoslawien habe sich ebenso herausgestellt, dass dies allein nicht tragfähig sei.

Immer mehr kristallisiere sich heraus, so der Referent, dass eine Lösung der Eigentumsfrage nicht im nationalstaatlichen Rahmen zu finden sei. Globale Probleme erforderten eine globale Herangehensweise, was den Gedanken eines "Welteigentums" nahe legt. Und an dieser Stelle nahmen die Ausführungen von Prof. Kuczynski starke philosophische Züge an. Er verwies auf Karl Marx, der von einer "sinnlichen Aneignung der Welt durch die Individuen" schrieb, von ihrer "freien Entwicklung", losgelöst von materiellen Zwängen. Eine Grundvoraussetzung dafür sei die radikale Verkürzung der Arbeitszeit.

In der nachfolgenden lebhaften Diskussion mit den gut 40 Teilnehmern der Veranstaltung machte der Referent zugleich klar, dass zu unterscheiden sei zwischen dem, was in dieser Gesellschaft erreicht werden, und jenem, wie eine neue Gesellschaft aussehen könne. Auf letztes hätten wir keinen Einfluss und es müsse auch nicht im Parteiprogramm beantwortet werden.
In Wortmeldungen wurde darauf verwiesen, dass es zunächst vorrangig um die Kontrolle über "große Machtstrukturen" gehe, wobei nicht nur die Mitspracherechte der Mitarbeiter in den Unternehmen, sondern auch die Rolle der Verbraucher gestärkt werden müssten. Als Alternative zum Privateigentum könne auch der "Zugang" zu den "Reichtümern", mehr im Sinne geistiger Werte, betrachtet werden, so z. B. der Zugang zu Informationen.

Nach gut 90 Minuten hatte sicher niemand der Veranstaltungsteilnehmer einen konkreten Vorschlag zur Änderung der entsprechenden Textpassagen im Programmentwurf der LINKEN im Kopf, aber zum weiteren Nachdenken gab der interessante Abend genug Anregungen.

W. Kraffczyk