„Wir sind, was folgt …“
Szenen des Abends
… lautete das Motto des Politischen Aschermittwochs der Bernauer LINKEN in diesem Jubiläumsjahr. Seit 10 Jahren sorgt ein Laien-Ensemble der Linksfraktion im Stadtparlament, verstärkt durch Mitglieder und Sympathisanten des Stadtverbandes, für einen kabarettistischen Höhepunkt im kulturellen Leben der Stadt. Nun schon zum 11. Mal. Und auch diesmal war die Stadthalle schon frühzeitig voll besetzt, darunter Vertreter der politischen Konkurrenz, Gäste aus Wandlitz, Marienwerder u.a. Barnimer Gemeinden, aber auch aus Berlin.
Wie immer wurde der Finger in die Wunden des politischen Alltags mit einer gehörigen Selbstironie gebohrt. Schon mit der Begrüßung durch Fraktionschef Dominik Rabe wurde das enttäuschende Kommunalwahlergebnis für DIE LINKE in Erinnerung gebracht und mit einem trotzigen „Wir sind hart im Nehmen“ kommentiert. Ebenso sinnierte das Duo „Frau Ascher“(Heidi Scheidt) und „Herr Mittwoch“ (Sören-Ole Gemski), das mehrfach an diesem Abend im Dialog pikante Aspekte der Kommunalpolitik aufspießte, über die Ursachen der Wahlniederlage und kam zur Erkenntnis „Der Wählerwille ist schuld“, um gleich die Frage anzuschließen: „Wo ist denn der Herr Wählerwille?“
Selbstironisch ging es auch in einem Dreierdialog über die Zukunft der LINKEN zu. „Was tun?“ war in Anlehnung an die bekannte Schrift von Lenin die Frage – Wiedereinführung des Parteilehrjahrs, intensivere Mitgliederversammlungen? Man einigte sich auf Nikolai Ostrowskis „Wie der Stahl gehärtet wurde“, wobei der Bezug auf Bernaus Bürgermeister A. Stahl eindeutig war.
Amüsant war zudem die „Castingshow“ zur Wahl einer neuen Parteiführung. Es solle ein „Dreamteam“ werden, wobei man sich schließlich für „Greta“ entschied.
Natürlich bekam auch die politische Konkurrenz ihr „Fett weg“. So war von massenhafter Post vom „großen Zauberer“ die Rede, der „alles kann und alles besser weiß“ – eine Anspielung auf den Chef von BVB/Freien Wähler, die im Wahlkampf die Briefkästen überlaufen ließen. „Woher er nur das ganze Geld dafür hatte?“ wurde rhetorisch gefragt. Bei der CDU wurde hervorgehoben, dass sie in ihrer Bernauer Geschäftsstelle ein Schwimmbad eingerichtet habe – zumindest wurden die Schaufenster mit solchen Motiven gefüllt. Zudem wolle sie die Wahlplakate in Bernau abschaffen – und dafür Sauer-Kirschkuchen verteilen, eine Anspielung auf den Stadtvorsitzenden D. Sauer. Aber auch die Szene, in der Bürgermeister A. Stahl allein bei einer ordentlich einberufenen SVV-Tagung sitzt, ist nicht ohne Kritik. Am 5. Dezember war kein einziger Vertreter der Fraktionen von BVB/Freie Wähler (außer Péter Vida), CDU, AFD, und BfB/FDP anwesend, was auf einen vorher abgesprochenen Boykott hindeutete.
Besonders deutlich wurden die Akteure im Hinblick auf die jüngsten Ereignisse in Thüringen beim Paktieren der CDU und der FDP mit der AfD. Ganz ohne Ironie wurde gefordert: „Sage NEIN!“, NEIN zu Rassismus und Ausgrenzung, NEIN zu Nationalismus und Menschenverachtung, NEIN zur Gewalt gegen Andersgläubige. Dazu wurden Aussagen von AfD-Vertretern auch aus Brandenburg zitiert.
Traditionell wurden darüber hinaus verschiedene kommunale, landes- und bundespolitische Themen reflektiert. So sang Sören-Ole Gemski nach der Melodie von Karat den „7-Brücken-Blues“ mit der Kernaussage „Über sieben Brücken kein Verkehr, und an Besserung glaubt keiner mehr“. Neben der aktuellen Verkehrssituation spielte auch die Parkplatzbewirtschaftung in der Stadt eine Rolle, die nach Ansicht von BVB/Freie Wähler durch ein „Handy-Parken“ erweitert werden solle. Für den angestrebten 10-Minutentakt der S-Bahn gebe es allerdings Hoffnung, da Herr Sauer nunmehr bei der Bahn angestellt sei. Zumindest lasse ein Foto des Herrn in Bahnuniform, auf der Leinwand präsentiert, darauf schließen.
Auch der Klimawandel kam nicht zu kurz. Mit Gesang nach der Melodie von „meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ übten die „Omas for Future“ scharfe Kritik an Umweltsünden. In einer nachfolgenden Szene wurde ein „Umweltpaket“ der Bundesregierung ausgepackt, das vor allem viel Hohlraum enthielt.
Höhepunkt des Abends war zweifellos die „Büttenrede“ von Bürgermeister André Stahl. Zunächst umriss er die wenig erfreuliche internationale Lage, wobei er einen weiten Bogen vom sich rassistisch äußernden Donald Trump über Russland, das nunmehr wieder als „Feind“ betrachtet und durch NATO-Großmanövern bedroht wird, bis hin zu fragwürdigen neuen Freunden der Bundesrepublik wie Saudi Arabien schlug. Lächerlich sei auch das Bestreben, den chinesischen Konzern HUAWEI vom 5G-Netzausbau auszuschließen, zumal der NSA-Abhörskandal noch gut in Erinnerung sei.
Mit Blick auf die innerparteilichen Querelen und Personaldebatten in der CDU konstatierte der Redner, dass Frau Merkel ohne Hass regiert habe. Sollte F. Merz den Thron bei der CDU besteigen, könnte "das Land dem internationalen Kapital ausgeliefert werden". Dass er u.a. gegen eine Vermögenssteuer und für eine Rente ab 70 plädiert, sei bekannt. Und noch immer sei in dieser Partei die Angst vor dem Kommunismus größer als vor der Rechten in der jetzigen Gestalt der AfD. Dabei könne es keinerlei Kompromisse mit jener Partei geben, solange sie von Neonazis und Faschisten geführt werde.
Der neuen Landesregierung in Brandenburg attestierte Stahl eine gewisse Profillosigkeit. Er habe den Eindruck, dass sie ihren Blick lediglich in Richtung Lausitz richte und dabei den „Speckgürtel“ mit seinen Problemen aus den Augen verliere. Aufgefallen sei sie vor allem durch neues Schuldenmachen.
Zur Entwicklung in Bernau merkte der Bürgermeister an, dass BVB/Freie Wähler als Mehrheitsführer sich ihrer Verantwortung bewusst werden müssen. Während die AfD-Fraktion völlig unauffällig agiere und bislang keinerlei Anträge gestellt habe, falle die CDU-Fraktion mit Kritik an der Verwaltung auf.
Dagegen habe DIE LINKE die Stadt als Ganzes und ihre Bürger im Blick. Sie arbeite daran, Bernau sozial, lebendig, offen und grün zu entwickeln. Der Redner endete mit den bekannten Worten: “Vorwärts immer, rückwärts nimmer“, was zu einem kräftigen Applaus des Publikums führte.
Die Akteure auf der Bühne nahmen Stahl sogleich beim Wort und forderten im nächsten Akt u.a. den Bau eines Kulturpalastes mit Schwimmbad und die Anbindung der Stadtteile per U-Bahn an den Bahnhof …
Das Fazit des Abends: DIE LINKE in Bernau setzt trotz personeller Schwächung in der Stadtverordnetenversammlung, aber auch im Kreis der Akteure auf der Bühne, noch immer wichtige Impulse im politischen Wettstreit und entscheidende Akzente bei der Entwicklung in der Stadt. Dabei ist sie sich der eigenen Defizite durchaus bewusst. Der Politische Aschermittwoch sollte und wird als Highlight in diesem Prozess eine Fortsetzung erfahren.
W. Kraffczyk