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„Draufsichten“ auf Brüssel

Unser Gast, EU-Abgeordneter Fabio de Masi (l.), und Moderator Martin Günther (r.)

Die Dezember-Veranstaltung der Diskussionsreihe „Draufsichten-Ansichten-Einsichten“ des Bernauer Stadtverbandes war der Europäischen Union, speziell der Finanz- und Steuerpolitik, gewidmet. Dazu konnte der Europaabgeordnete der Linksfraktion GUE/NGL Fabio de Masi als kompetenter Gesprächspartner gewonnen werden. Er ist Mitglied des Parlamentsausschusses für Wirtschaft und Währung und arbeitet zugleich im Sonderausschuss TAXE (Steuern) mit.

Der Gast führte zunächst aus, dass es innerhalb der EU zur Steuerproblematik unterschiedliche Interessen gebe. Noch immer sei das Bestreben mehrerer Länder festzustellen die Körperschaftssteuer niedrig zu halten und sich so einen Vorteil im Buhlen um Unternehmensansiedlungen zu verschaffen. Luxemburg war diesbezüglich in den letzten Monaten als besonders krasses Beispiel in den Schlagzeilen. Bezeichnend ist, dass sich die Bundesregierung an Hinweisen dazu, wie deutsche Unternehmen ihre Steuerschuld ins Großherzogtum verschieben, nicht interessiert zeigte.
Insbesondere die großen Unternehmen wenden dabei verschiedene Tricks an. So werden z. B. fiktive Patentgebühren an Tochterunternehmen – oftmals nur Briefkastenfirmen – in Steueroasen gezahlt, die als Betriebsausgaben steuerlich abgesetzt werden können. Die Tochterfirma muss diese aber nicht als Gewinn versteuern. Im Ergebnis derartiger Machenschaften verliert die EU schätzungsweise jährlich eine Billion Euro durch Steuervermeidung und -hinterziehung.

Leider, so der Gast, sei das EU-Parlament für Unternehmenssteuern nicht zuständig. Es habe lediglich ein Mitspracherecht bei „Wettbewerbsverzerrungen“ und könne nur auf diesem Umweg gegen Steuerdumping vorgehen. Allerdings sei es oft schwierig eine „Diskriminierung“ dieser Art im Wettbewerb nachzuweisen.

Die Linksfraktion tritt für eine konsolidierte „Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage“ ein. Das heißt, die Bemessungsgrundlage sollte bei Berücksichtigung verschiedener Faktoren einheitlich sein. Dagegen wolle die EU-Kommission eine „Harmonisierung“, ohne jedoch einen Mindeststeuersatz festschreiben zu wollen. Dies würde allerdings den Wettbewerb um den niedrigsten Steuersatz erst recht anheizen.

Generell sei der „neoliberale Geist“ in und eine zunehmende Kritik an der EU von „rechts“ spürbar. Es werde gegen „wirtschaftliche Fesseln“, die die EU-Kommission anlege, gewettert. Ein Beispiel: die Kritik an der Dokumentationspflicht für den Mindestlohn. Auch zaghafte Versuche zur Regulierung des Finanzsystems als Konsequenz aus der Finanzkrise werden unterhöhlt. So soll im Rahmen der geplanten Finanztransaktionssteuer, an der sich nur ein Teil der EU-Länder beteiligen will, der Handel mit Derivaten ausgeklammert bleiben. Auch die Vorschläge der EU-Kommission zur Bankentrennung werden insbesondere von der Volkspartei (CDU u. a. konservative Parteien) ausgebremst.

In dieser Situation sehe sich DIE LINKE mitunter gezwungen das kapitalistische Konstrukt EU zu verteidigen. Vor allem versuche die Linksfraktion die Interessen der „kleinen Leute“ zu vertreten und die demokratischen Elemente zu stärken. Die EU sei zweifellos mit Blick auf die kriegerische Geschichte des Kontinents ein zivilisatorischer Fortschritt. „Aber“, so bekannte der Gastredner offen, „ich bin gegen Vereinigte Staaten von Europa“. Je mehr sich die Macht vom Volk entfernt, desto mehr sei ein Demokratieabbau festzustellen. Das stärke letztlich rechte, nationalistische Kräfte, die sich eine wachsende Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Zuständen zunutze machen.
W. Kraffczyk

Zum Weiterlesen: "Lux Leaks: Von Oasen und Briefkästen - Die Steuertricks multinationaler Konzerne"