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Keine Reformen in Kuba? Aktualisierung ist das Ziel!

Während des Forums mit den kubanischen Gästen Noel Carrillo (l.) und Líen Perez (m.). Die Veranstaltung wurde vom Vorsitzenden des Stadtvorstandes der LINKEN Sören-Ole Gemski geleitet.

Am Montag, den 16. Januar 2012, fand auf Einladung von Cuba sí Bernau und dem Bernauer Stadtverband der LINKEN eine Podiumsdiskussion  mit der Vertreterin der kubanischen Botschaft für Presse und Solidaritätsarbeit Líen Perez und dem Mitarbeiter im ZK der KP Kubas Noel Carrillo zum Thema „Reformen in Kuba – In welche Richtung geht es?“ statt.  Unsere kubanischen Gäste wollten den Begriff „Reform“ für die sich derzeit in Kuba in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens vollziehenden Veränderungen gleich zu Anfang nicht gelten lassen. Sie bezeichnen diesen Prozess als Aktualisierung und Vervollkommnung des sozialistischen Modells in Kuba. Da hierzulande das Wort „Reform“ vieles von seiner ursprünglich positiven Bedeutung verloren hat, ist die Ablehnung dieses Wortes durchaus nachvollziehbar.

Mit der Einbeziehung der ganzen Bevölkerung in diesen Prozess im Vorfeld des VI. Parteitages der KP Kubas im April 2011 ist auch ein Grundstein gelegt, dass er erfolgreich werden kann. An dieser wohl bisher einmaligen Befragung der Bevölkerung eines Landes in der Welt nahmen über 3 Millionen Bürger des 11-Millionen-Volkes teil.

Deren Vorschläge fanden in den beschlossenen 291 Leitlinien ihren Ausdruck, die das gesamte gesellschaftliche Leben betreffen. Die ersten Veränderungen wurden bereits vollzogen: Die Vergabe von Kleinkrediten insbesondere an Bauern wurde geregelt, der Verkauf von Autos und Wohnungen zwischen Kubanern ermöglicht.

Noel Carrillo ging am Anfang auf die derzeitige Lage in Kuba ein. Das Land erzielte im letzten Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,7 % und auch wieder ein Wachstum der Arbeitsproduktivität von 2,8 %. Die Löhne und Gehälter erhöhten sich im Durchschnitt um 2,7 Prozent. Im letzten Jahr konnten sogar die durch die Hurrikankatastrophen verursachten Zahlungsrückstande gegenüber ausländischen Gläubigern ausgeglichen werden.

Ziel der höheren Produktivität muss die Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung und die Abschaffung des „Peso Convertible“ sein. Gerade das Zweite kann aber erst passieren, wenn die Rentabilität der kubanischen Wirtschaft entsprechend gestiegen ist.

Der Schwerpunkt der gegenwärtigen Veränderungen ist der Landwirtschaftssektor. Nicht zuletzt wegen des Überangebotes an Rohrzucker auf dem Weltmarkt befindet er sich gegenwärtig im Umbruch, aber immer noch liegen etwa 2 Mio. ha von 6,6 Mio. ha landwirtschaftlich nutzbarer Fläche brach. Die Zahl der Bauern stieg von 250 000 auf 400 000. Die noch bestehenden Staatsbetriebe werden bis auf wenige in Genossenschaften umgewandelt. Daneben gibt es mittlerweile viele selbständige Bauern. Interessant ist dabei, dass sich diese mittlerweile auch zusammenschließen, um Maschinen und Geräte kostengünstiger nutzen zu können. Als problematisch stellt sich noch die ausreichende Bereitstellung von Arbeitsgeräten und Saatgut dar. Deshalb befindet sich jetzt ein Großhandelsnetz mit ca. 2 000 Läden im Aufbau. Für den Kauf von Materialien stellt der Staat Kleinkredite bereit. Die in den Cuba Sí - Projekten gesammelten Erfahrungen sollen verstärkt verbreitet und anderen Genossenschaften vermittelt werden.
Ziel all der Maßnahmen ist die Selbstversorgung der Bevölkerung Kubas mit Nahrungsmitteln. Es wird kein zurück zur Monokultur Zuckerrohr geben. Stattdessen wird jetzt auch mit dem Anbau von Weizen experimentiert. Der Anbau von Grundnahrungsmitteln wie Reis, Hülsen- und Erdfrüchten wird weiterhin zum Teil zentral geregelt, um die sichere Versorgung in allen Landesteilen zu gewährleisten. Bei der Verbesserung der Versorgung mit frischen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Fleisch und Molkereiprodukte setzt Kuba auf regionale Lösungen.

Ein weiteres Ziel der Veränderungen ist die Dezentralisierung der Planung, die den örtlichen Volksvertretungen in den Regionen übergeben werden soll. Doppelstrukturen von Staat und Partei werden abgebaut. Den staatlichen Betrieben wird neben zentralen Planungszielen eine größere Eigenverantwortung übertragen, womit der ökonomische Anreiz, aber kein blinder Wettbewerb gefördert werden soll. Wenn die Betriebe im Verlauf von zwei Jahren nicht rentabel arbeiten, wird über neue Eigentumsformen für diese nachgedacht, wobei gesellschaftliche Eigentumsformen bevorzugt werden.

Die Zahl der auf eigene Rechnung Arbeitenden hat sich auf 357 000 erhöht, wobei sich die im Bereich der materiellen Dienstleistungen und Handwerk eröffneten Geschäfte bisher sich als am stabilsten erweisen.

Infolge der Veränderungen kommt in Zukunft auch der kubanischen Gewerkschaft eine höhere Verantwortung bei der Vertretung der Interessen der Arbeiter und Angestellten zu. Dazu werden neben der arbeitsrechtlichen Vertretung auch die Aushandlung der Löhne und Gehälter zählen.

Neben den Problemen in der Wirtschaft ist die angespannte Wohnungssituation ein drängendes Thema vieler Kubaner. Hierbei soll ebenso auf mehr Eigeninitiative gesetzt werden. So werden im laufenden Jahr 400 Mio. Peso finanziell schwach gestellten Familien für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt.   

Somit kommt auf die Kubaner eine sehr wichtige Phase zu, die ihnen in mancher Hinsicht mehr abverlangt als die überstandene „Periodo Especial“, geht es doch nicht nur um eine höhere Effektivität der Wirtschaft, eine stärkere Einbeziehung der Bevölkerung in Entscheidungen, sondern auch um einen Mentalitätswechsel bei so manchen Kubaner. Aber wer dieses Land und seine Menschen abseits des Tourismus kennen gelernt hat, wird festgestellt haben, dass sie schon so manche schwierige Phase überstanden haben. Schließlich geht es nicht nur um die weitere Vervollkommnung ihres sozialistischen Modells, sondern auch um den Erhalt der politischen und ökonomischen Unabhängigkeit. In einer in der heutigen Zeit veränderten Lage in Lateinamerika, in der die Linke in verschiedenen Konstellationen eine stärkere Rolle als vor Jahren spielt, stehen dafür auch außenpolitisch die Zeichen günstig.

Auf der Veranstaltung wurde auch das Verhältnis zwischen Staat und Kirche angesprochen. Noel Carrillo verwies auf die verbesserten Beziehungen der letzten Jahre. Der für dieses Jahr geplante Papstbesuch auf Kuba wird auch die Verlesung zweier Messen beinhalten.

Wir wünschen unseren kubanischen Freunden nur viel Erfolg bei ihren Bestrebungen für ein besseres Leben und werden ihnen solidarisch zur Seite stehen.



Wer Interesse an einer aktiven und ganz konkreten Solidaritätsarbeit mit dem kubanischen Volk hat, ist bei uns immer willkommen und kann sich melden unter:
bernau@cuba-si.org
www.cuba-si.org

Unser Cuba sí – Spendenkonto:

DIE LINKE/Cuba Sí
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Kennwort: "Milch für Kubas Kinder" oder
Kennwort: "Kuba muss überleben"