Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Über „Ostversteher“ und „Parkinesen“

Spiegel-Redakteur Stefan Berg bei den Offenen Worten mit Dagmar Enkelmann

Nachdenken über „Gestern, Heute und Morgen“ nennt Dagmar Enkelmann ihre Veranstaltungsreihe „Offene Worte“ im Untertitel. An diesem Sonntag erlebten die Besucher im „Treff 23“ eine der nachdenklichsten „Offenen Worte“ – zu Gast war der Journalist und „Spiegel-Redakteur“ Stefan Berg.

Berg, Jahrgang 64, hatte wie viele, die nach dem Mauerbau geboren wurden, ein ambivalentes Verhältnis zu DDR. Die Einheit empfand er nicht als Wiedervereinigung – er habe die beiden Staaten ja nie zusammen erlebt, bekannte er. Zwar stand er aufgrund seiner christlichen Überzeugung und seiner Aufmüpfigkeit zeitweise kurz vorm Schulrauswurf, konnte aber das Abitur ablegen. Das war, sagte er freimütig, dann seine letzte abgeschlossene Ausbildung gewesen. Zum Lehrerstudium wurde - „einer wie er“ - erwartungsgemäß nicht zugelassen. Zunächst diente Berg dann als  Bausoldat auf Rügen und entdeckte sein Talent zum Schreiben. Danach begann er für christliche Zeitungen in der DDR zu arbeiten und schilderte im „Treff“ u.a. die subtile Zensur, der auch diese Presse unterlag. Nach der Wende wurde er Redakteur bei der „Allgemeinen Deutschen Sonntagszeitung“– bis 1996 der Anruf vom „Spiegel“ kam. Dort spielte er zunächst weiter die Rolle als „Ostversteher“, schrieb aber bald auch über Themen wie Rechtsextremismus und die Entwicklung der PDS.

Im Reden über das „Gestern“ zeigte sich Stefan Berg als scharfer Kritiker der DDR-Verhältnisse. In dem Staat haben die Dummen über die Schlauen geherrscht. Das rief Widerspruch im Saal hervor, mehr und mehr zog Berg aber den „Treff“ mit seinen Gedanken über seine heutige Lage in den Bann.

Im Alter von 44 wurde bei ihm Parkinson diagnostiziert. Wie die Krankheit von heute auf morgen sein Leben und Stück für Stück seine Sicht auf das Leben veränderte, darüber berichtete Berg im „Treff“ mit sichtlicher körperlicher Anstrengung und las auch Kapitel aus seinem Buch „Zitterpartie“. Der Humor, der Berg schon DDR-Absurditäten ertragen ließ, hat ihn bis heute nicht verlassen. Konsequent hießen die Erkrankten, von denen einige in den „Treff“ gekommen waren, bei ihm „Parkinesen“. Ihm sei klar, so Berg, dass er mit einem großen Arbeitgeber wie dem „Spiegel“ im Rücken und mit seinem Beruf in einer besonderen Situation sei. Kleinunternehmen mit fünf Leuten könnten oft weniger Rücksicht auf Erkrankte nehmen, oft nicht, weil sie nicht wollten, sondern einfach nicht könnten. Mit viel Sport, Medikamenten und Landleben versucht Berg, den Krankheitsverlauf hinauszuzögern – übertriebene Hoffnungen auf Heilung hegt er nicht, denn „wer wisse, schon was in zehn Jahren ist“.