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Personalmangel im Krankenhaus gefährdet Ihre Gesundheit

"Draufsichten-Ansichten-Einsichten" am 16.3. zum Thema Gesundheitspolitik

Unser Gast Harald Weinberg während seiner interessanten Ausführungen.

Von dieser etwas provokant klingenden These ist nicht nur die Linksfraktion im Bundestag überzeugt. Wie unser Gast in der jüngsten Veranstaltung der Diskussionsreihe „Draufsichten-Ansichten-Einsichten“, Harald Weinberg, Sprecher der LINKEN im Bundestag für Krankenhauspolitik und Gesundheitsökonomie, in seinen Ausführungen darlegte, gehen auch ver.di, Ärzte und Pflegeverbände sowie Abgeordnete anderer Bundestagsfraktionen von einem akuten Pflegenotstand aus. Wie konnte es dazu kommen?

Zunächst skizzierte der Redner die Entwicklung im Gesundheitswesen in den letzten Jahrzehnten. Gegenwärtig seien rund 5,2 Mio. Arbeitnehmer in dieser Branche beschäftigt, dessen Budget rund 300 Mrd. Euro im Jahr beträgt – 10 % des BSP. Nach dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes gehört das Gesundheitswesen eigentlich zur öffentlichen Daseinsvorsorge und sollte nicht nach marktwirtschaftlichen Regeln funktionieren, betonte der Gast. Im Zuge der Neoliberalisierungspolitik wurde aber, beginnend in den 70er Jahren, mit der Zulassung der „Trägervielfalt“ im Krankenhausbereich das Gesundheitswesen für den Markt geöffnet. In den 90er Jahren folgte dann mit der Einführung eines Preissystems für Gesundheitsleistungen („Fallpauschalen“) faktisch die Erlaubnis zur Gewinnerzielung. Im Ergebnis konzentrierten sich die Protagonisten zunehmend auf attraktive Geschäftsbereiche. Bekannt ist z. B. das Unwesen, unnötige Operationen vorzunehmen, weil diese besonders gut vergütet werden.

Zugleich wird an allen Ecken und Enden gespart um Gewinne zu maximieren. Insbesondere wird versucht, die Personalkosten in den Krankenhäusern, die ca. 70% der Ausgaben ausmachen, zu drücken. Dies betrifft vor allem das Pflegepersonal.
Eine weitere Konsequenz ist die radikale Verkürzung der Verweildauer der Patienten im Krankenhaus mit gefährlichen Folgen durch ungenügende Nachversorgung sowie der Abbau der Betten bis hin zur Schließung ganzer Abteilungen. Weil den öffentlich-rechtlichen Einrichtungen ob ihres Versorgungsauftrages Grenzen gesetzt sind, ziehen sie im Wettbewerb mit den privaten Krankenhäusern den Kürzeren. Schon jetzt schreiben rund 40 % von ihnen rote Zahlen. Und nach Prognosen wird es 2025 im Vergleich zu 2012 nur noch halb so viele öffentliche Krankenhäuser geben.

Die Folgen dieser Entwicklung sind nicht nur für die Patienten fatal, deren medizinische Versorgung unzureichend gewährleistet werden kann. Auch und vor allem das Pflegepersonal wird zunehmend zum Spielball des Profitstrebens. Nach Schätzungen fehlen rund 70.000 Pflegekräfte in deutschen Krankenhäusern. Während z. B. in Norwegen 1 Pflegekraft durchschnittlich 3,8 Patienten betreut, sind es in Deutschland 10,3 Patienten. Sie fühlen sich in aller Regel überfordert, gehen häufig auch krank zur Arbeit und machen notgedrungen Abstriche an der Qualität ihrer Arbeit, wie 47% freimütig zugeben. Experten geben zu bedenken, dass unter diesen Bedingungen z. B. die Hygiene-Richtlinie objektiv nicht umgesetzt werden kann. Zudem erfährt die vorwiegend von Frauen geleistete Pflegearbeit eine unzureichende gesellschaftliche Anerkennung. Oft in Teilzeit ausgeübt, wird sie meist schlecht bezahlt.

Das 2015 von der Bundesregierung beschlossene „Pflegestellen-Förderprogramm“ werde nach Einschätzung von Harald Weinberg keine Wende bringen. Das auf 3 Jahre angelegte Programm werde lediglich 6.500 neue Stellen schaffen – max. 4 Stellen pro Krankenhaus.
DIE LINKE fordert stattdessen eine gesetzliche Personalbemessung. Entsprechende Anträge im Bundestag 2013 und 2015 wurden jedoch abgelehnt. Erst diese Woche wurde erneut ein Antrag zur besseren Personalausstattung in Krankenhäusern von der LINKEN gestellt. Zu finanzieren wäre das durch eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung, in die alle Bürger entsprechend ihres Einkommens einzahlen. Darüber hinaus setzt sich DIE LINKE für eine solide finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser und die Abschaffung der „Fallpauschalen“ ein. Nicht zuletzt muss aus Sicht der LINKEN die Ausbildung der Pflegekräfte verbessert und werden.

Grundsätzlich, so das Fazit, gelte es jedoch einen gesellschaftlichen Konsens in der Frage zu erreichen, dass das Gesundheitswesen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und nicht eine „Wirtschafts-“Branche ist. Weitere Privatisierungen müssen verhindert und bereits privatisierte Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in nicht-profitorientierte Trägerschaften überführt werden.
W. Kraffczyk