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Wessen Staat – wessen Recht?

Dr. Volkmar Schöneburg, MdL, bei seinem Vortrag
Dr. Volkmar Schöneburg, MdL, bei seinem Vortrag

Unter dieser Fragestellung stand Ende September ein vom Verein Rotfuchs und der Bernauer LINKEN organisiertes Forum mit Dr. Volkmar Schöneburg, Mitglied der Linksfraktion im Brandenburger Landtag und ehemaliger Justizminister. Sie erinnert natürlich stark an die bekannte These der marxistischen Klassiker vom Staat und dem Recht als Überbau der Produktions- und Eigentumsverhältnisse. Und ja, im Verlauf der Veranstaltung wurde diese These nicht widerlegt.

Zunächst erläuterte Gen. Schöneburg den Rechtsstaatsbegriff, der oftmals als „Joker“ für die Begründung bestimmter politischer Positionen benutzt wird. Er erinnerte daran, dass auch Freisler, Präsident des „Volksgerichtshofes“, das Naziregime als „Rechtsstaat“ bezeichnet hatte. Andererseits wurde und wird Rechtsstaatlichkeit negiert, um unliebsame Staaten zu diskreditieren.
„Recht ist mit Herrschaft verbunden“, stellte der Redner klar, und habe einen entsprechenden Inhalt. Die Herrschaftsfunktion spiegle sich im Strafrecht wider. Eine wahre Rechtsstaatlichkeit verlange Garantien für die Grundrechte der Menschen, die die persönlichen Rechte eines jeden einklagbar machen. Dafür müssen Straftatbestände genau ausformuliert sein. Die UNO hat die Menschenrechte als unteilbar erklärt und damit klar gestellt, dass politische und soziale Rechte zusammen gehören, konstatierte Dr. Schöneburg. Rechtsstaatlichkeit habe somit auch eine soziale Funktion.

Im Weiteren ging der Gast auf das Strafrecht ein, das er als wichtigstes Instrument des Staates bezeichnete. Es diene der Prävention und Abschreckung vor Straftaten oder aber der „Vergeltung“. Er äußerte sich besorgt über Tendenzen in der Bundesrepublik zur Verschärfung des Strafrechtes, die auf Machterhalt und Wahrung wirtschaftlicher Interessen abzielt. Mit der Politik von „Law and Order“ sollen Bedrohungsängste zurück gedrängt und Aktionismus vorgetäuscht werden. Die Betonung von „individueller Schuld“ soll zugleich von gesellschaftlichen Problemen ablenken. Z.B. verbüßen 10% der Gefängnisinsassen eine Freiheitsstrafe, weil sie Geldstrafen wegen Ordnungswidrigkeiten nicht bezahlen können.
Bei Abbau des Wohlfahrtstaates und der Sozialleistungen verstärkt sich andererseits das repressive Vorgehen. „Sicherheitsverwahrung“, vermutete „Absicht der Verübung einer Straftat“ sind nur zwei Stichworte für strafrechtliches Vorgehen, die in Richtung „Sicherheitsstaat“ weisen.

Begleitet wird diese Entwicklung durch die Ausgestaltung des Polizeirechts. Die verschiedensten Novellierungen der Polizeigesetze der Bundesländer dokumentieren eine weitere Verdrängung der Rechtsstaatlichkeit zugunsten einer (vermeintlichen) Effektivität in der Gefahrenabwehr. So werden „Gefährder“ mit Sanktionen belegt, ohne dass diese eine Straftat begangen haben. Mittlerweile hat der „Präventions“-Gedanke keine Obergrenze mehr. Besonders bedenklich erscheinen solche Maßnahmen wie Online-Durchsuchungen und Staatstrojaner, zunehmende Videoüberwachung, Schleierfahndung sowie der genehmigte Einsatz von Sprengmitteln durch die Polizei.
Diese Tendenzen zu einem eher polizeilich geprägten Interventionsrecht im Strafrecht können auch nicht mit der These, dass „Freiheit Sicherheit braucht“, legitimiert werden, zeigte sich der Redner überzeugt, zumal kein besonderer Anstieg der Kriminalität zu verzeichnen ist.

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass dieser Entwicklung zum Sicherheits- und Überwachungsstaat entschieden entgegengetreten werden muss. So hat auch die Linksfraktion im Landtag ernste Bedenken gegen die geplante Novellierung des brandenburgischen Polizeigesetzes. Die dazu aufgenommenen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner, der SPD, laufen noch.
W. K.