Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Was haben die Menschen im Brandenburger Land von Europa?

Mehr als sie denken, sagt Helmut Scholz, Kandidat der LINKEN für die Wahlen am 26. Mai 2019 zum Europäischen Parlament. Warum, das beantwortet er Frithjof Newiak im Interview.

Wenn wir am 26. Mai unsere Kreistags- und Stadtverordneten, unsere ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Gemeindevertretungen und Ortsbeiräte wählen, dann wissen die meisten Menschen, wofür die Kandidatinnen und Kandidaten stehen. Aber „die da in Brüssel“, die Europa-Abgeordneten, sind für viele ganz weit weg. Wie sehen Sie das nach 10 Jahren im Europaparlament?
Brüssel ist viel näher an Brandenburg als viele denken. Schließlich bin ich selbst Brandenburger und habe hier auch einen meiner beiden Wahlkreise. Dadurch spüre ich ganz unmittelbar, wie das Europäische Parlament vor Ort wirkt. So wird etwa in der Euro-Region Spree-Neiße-Bober die Wiederherstellung und Pflege von historischen Parkanlagen aus EU-Mitteln unterstützt. Die Stadt Brandenburg sanierte mit Hilfe des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung Teile ihrer Haveluferpromenaden. Beide Maßnahmen kommen sowohl dem Tourismus als auch der Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner zugute. Oder nehmen wir die Hochschulen: Die EU fördert ein Projekt an der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg, bei dem erforscht wird, inwieweit Sonnenenergie in Elektroautos gespeichert werden kann. Dass in die Sanierung und einen modernen Anbau im Stadtcampus der Hochschule Eberswalde ebenfalls EU-Gelder geflossen sind, ist inzwischen wahrscheinlich gar nicht mehr präsent.
Allen, die mehr wissen wollen, empfehle ich eine aufschlussreiche Internetseite: www.das-tut-die-eu-fuer-mich.eu. Hier ist sehr detailliert aufbereitet, was aus EU-Mitteln in den letzten Jahren vor Ort bewirkt und unterstützt wurde.

Das hört sich gut an. Aber wenn die EU Projekte vor Ort finanziert bzw. mitfinanziert werden: Welcher Handlungsspielraum bleibt da für die Kommunen?
Es ist falsch zu glauben, dass das Europäische Parlament in jedes Detail „reinregieren“ will. Das Europäische Parlament gibt den globalen Kontext vor und setzt die Richtlinie, einen Mindeststandard, den die Mitgliedsstaaten einhalten müssen. Was die Region oder die Kommune dann konkret daraus macht - ein „Mehr“ geht immer – bleibt unter ihrer Hoheit. Das halte ich für gut und richtig, denn für mich ist die Kommunalpolitik das Kronjuwel linker Politik.
Natürlich benötigt gestaltende Kommunalpolitik finanzielle Mittel. Für die Finanzausstattung der Kommunen ist aber der nationale Gesetzgeber zuständig, nicht das Eu-ropaparlament. Insofern sind die Adressaten bei der Frage nach Handlungsspielräumen der Bund und das Land.

Die Kommunen verfügen häufig nur über einen schmalen eigenen Finanzrahmen. Weshalb sie sich in der Praxis wohl eher für ein „Weniger“ anstelle eines „Mehr“ entscheiden dürften.
Da ist was dran. Dieser schmale Finanzrahmen hat auch damit zu tun, dass rund 80 Prozent der Sozialausgaben von den Landkreisen und kreisfreien Städten getragen werden. Gäbe es einen auskömmlichen bundesweiten Mindestlohn, dann müssten viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht noch zusätzlich zum Amt und aufstockende Leistungen beantragen. Deshalb kritisiert DIE LINKE die Große Koalition für ihre Politik, die wachsenden Sozialausgaben.
Das Land Brandenburg unter Rot-Rot hat im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten einiges zum Ausgleich für die Kommunen getan. Der kommunale Finanzausgleich sorgt zum Beispiel dafür, dass reichere Kommunen in einen Topf einzahlen, aus dem dann ärmere Kommunen einen Ausgleich erhalten. Auch das Land selbst gibt an seine Kommunen mehr Geld als frühere Landesregierungen (unter anderen Parteikonstellationen) und baut trotzdem im Rahmen seiner Möglichkeiten die Schulden der Vorgängerregierungen ab. Der größte Brocken bleibt jedoch die Bundespolitik. Sie hat die größten Auswirkungen und hier muss der Wechsel her!

Wie wollen Sie die kommenden Wochen bis zu den Wahlen nutzen, um für Europa und für eine möglichst hohe Wahlbeteiligung zu werben?
Wir als LINKE wollen, dass Menschen sich wieder stärker einmischen, sich Politik zurückholen, und Gesellschaft überall in der EU aktiv mitgestalten. Ich versuche so oft wie möglich unmittelbar in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern unterwegs zu sein und mit den Leuten zu sprechen, ihnen deutlich zu machen, welche Wirkung die europäische Dimension auch für ihr Leben hat und wie sie sich selbst einbringen können.
Ja, EU-Politik gehört weiterentwickelt und verbessert. Was mich jedoch stört: eine oft zu hörende mangelnde Differenziertheit. So heißt es bei Kritik oft „Die da oben haben ...“ oder „Die in Brüssel haben ...“. So ist es ja nun nicht! Denn nicht „die da“ entscheiden, sondern es sind bestimmte politische Mehrheiten und Konstellationen. Wie diese aussehen, liegt auch in der Hand der Wählerinnen und Wähler. Und weil ich Optimist bin, kandidiere ich erneut für das Europäische Parlament.

2 Milliarden Euro der EU fließen nach Brandenburg

Über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) unterstützt die EU die wirtschaftliche Entwicklung in allen EU-Ländern und Regionen. Daraus stehen Brandenburg für die Förderperiode von 2014 bis 2020 insgesamt rund 846 Millionen Euro zur Verfügung. Brandenburg setzt auf die Stärkung von angewandter Forschung, Entwicklung und Innovation, bessere Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Maßnahmen zur Minderung des CO2-Ausstoßes sowie eine nachhaltige Stadt-Umland-Entwicklung.
Für Verbesserung der Beschäftigungs- und Bildungschancen sowie der Armutsbekämpfung stehen Brandenburg im gleichen Zeitraum rund 362 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Verfügung. Die Mittel werden u.a. für bessere Qualität der Bildung und soziale Eingliederung eingesetzt.
Der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) bezuschusst Förderprogramme für nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung und ländliche Entwicklung. Brandenburg und Berlin werden zwischen 2014 und 2020 gemeinsam rund 1,05 Milliarden Euro an Fördermitteln aus dem ELER erhalten.