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"Wir wollen einen Sozialstaat"

Unsere Direktkandidat*innen Sebastian Walter, Isabelle Czok-Alm und Ralf Christoffers im Interview mit Berit Christoffers

Isabelle Czok-Alm, Ralf Christoffers und Sebastian Walter (v.r.n.l.)
Isabelle Czok-Alm, Ralf Christoffers und Sebastian Walter (v.r.n.l.)

Ob Frieden, Bürgerrechte oder Zukunft der Kinder - die Ankündigungen der Rot-Roten-Landesregierung in Brandenburg häufen sich gerade: Kitabeiträge, Straßenausbaubeiträge – sind das Wahlgeschenke?
Ralf Christoffers: Ohne Antrag sollen Empfänger bestimmter Leistungen keine Kita-Beiträge mehr bezahlen. Kurz gefasst: Alle mit einem Familieneinkommen unter 20.000 Euro im Jahr (ohne Kindergeld, Baukindergeld und Eigenheimzulage) sollen befreit werden.

Die LINKE hatte zur letzten Wahl im Programm, dass sie langfristig beitragsfreie Kitas haben möchte. Vor zwei Jahren wurde das letzte Kitajahr beitragsfrei gestellt. Gibt es ein Umdenken?
Sebastian Walter: Für uns ist die Beitragsfreiheit für Familien mit geringen Einkommen ein weiterer Schritt in Richtung der Beitragsfreiheit. Prognostiziert wird eine Entlastung für insgesamt 68.000 Kinder in Brandenburg. So kann es mit uns Schritt für Schritt vorwärts gehen. In der nächsten Wahlperiode könnte es die völlige Beitragsfreiheit geben.

Isabelle Czok-Alm: Kitas sind für uns Bildungseinrichtungen, Kinder stehen für uns im Mittelpunkt. Deshalb ist es wichtig, dass mehr Personal eingesetzt wird. Ich kenne das aus meiner Arbeit im Hort: Die Personaldecke ist so eng gestrickt,  dass Krankheits- und Ausfallzeiten nicht kompensiert werden können. Es läuft dann nur noch auf Beaufsichtigung hinaus und nicht auf pädagogische Arbeit ...

Ralf Christoffers ... deshalb sollen die Kitas ab 1. August eine Pauschale erhalten, wonach pro Kind durchschnittlich 8 Stunden Betreuungszeit angerechnet werden. Daraus ergeben sich landesweit 400 Personalstellen für die Kitas mehr, das Land wird dafür über 20 Millionen Euro pro Jahr mehr ausgeben. 

Aber warum jetzt, so kurz vor der Landtagswahl am 1. September?
Ralf Christoffers: Der Bund hat das zu Grunde liegende „Gute-Kita-Gesetz“ erst Ende 2018 beschlossen. Die Rot-Rote-Landesregierung in Brandenburg will es so schnell wie möglich umsetzen und hat deshalb die Vorschläge bereits formuliert. Seit Mitte Februar laufen die Verhandlungen mit der Bundesregierung. Brandenburg könnte damit das erste Bundesland sein, das die Verbesserungen für die Kitas umsetzt.

Anfang Februar erklärte Arbeitsminister Hubertus Heil eine Grundrente von 896 Euro monatlich für möglich. Was halten Sie davon?
Isabelle-Czok-Alm: Wer heute eine niedrige Rente hat, hat oft Anspruch auf Grundsicherung. 28 Prozent der Frauen erhalten eine monatliche Rente unter 750 Euro. Viele stellen jedoch gar keinen Antrag – denn Grundlage ist eine Bedürftigkeitsprüfung, der man sich aus Scham nicht unterziehen will. Wenn dieser Zustand überwunden werden könnte, wäre das gut.

Sebastian Walter: Wenn diese Debatte ernst gemeint ist, könnte sie eine Erneuerung des Sozialstaates bedeuten. Es wäre ein Einstieg in eine Grundsicherung, wie sie die LINKE favorisiert. 896 Euro liegen zwar nur etwas oberhalb des durchschnittlichen Grundsicherungsbedarfs eines Alleinstehenden.  Die Frage ist, ob es sich um Symbolpolitik handelt, oder ob diese Vorstellungen tatsächlich umgesetzt werden: Ohne Bedürftigkeitsprüfung, ein Betrag oberhalb der Grundsicherung.

Ralf Christoffers: Es geht generell um die Zukunft des Sozialstaates. Destruktiv sind Diskussionen über die Ungerechtigkeiten, die in Einzelfällen auftreten: Einer hat mehr, einige weniger gearbeitet, einer ist bedürftiger, einige weniger bedürftig – es gibt kein Subventionssystem, das nicht ausgenutzt wird, jedoch nur im geringen Umfang von wenigen Prozenten. Deshalb muss man die Frage stellen, ob der Aufwand, den der Sozialstaat gegenwärtig betreibt, um Sozialbetrug festzustellen, gesellschaftlich überhaupt gerechtfertigt ist. Was natürlich nicht gemeint ist, ist organisierte Kriminalität – aber das ist dann Aufgabe der Polizei. Ich möchte das Prinzip „Sozialstaat“ – dazu gehört eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung.

Sozialstaat ist das eine – Freiheitsrechte sind das andere. Hat die LINKE beim Polizeiaufgabengesetz für Brandenburg einen unzumutbaren Plan des Innenministers auf einen akzeptablen Entwurf zurechtgestutzt? Oder hätte sie prinzipiell dagegen sein sollen?
Sebastian Walter: Im Koalitionsvertrag haben SPD und LINKE 2014 vereinbart, dass das Polizeiaufgabengesetz überarbeitet wird. Grund war eine veränderte Sicherheitslage – aber das Wichtigste: Wir wollten erreichen, dass mehr Polizei durch Präsenz „auf den Straßen“ das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger verbessert; und dass die Polizei dazu über eine ordentliche Ausstattung verfügt. Die Polizeinovelle, mit der ursprünglich noch mehr Personal abgebaut worden wäre, wurde gestoppt. Heute hat Brandenburg soviel Polizisten wie noch nie.
Dann legte der SPD-Innenminister einen Gesetzentwurf für das neue Polizeiaufgabengesetz vor – und der war mit unseren Vorstellungen gar nicht vereinbar. Mehr Sicherheit ja – aber die Freiheit der Grundrechte darf nicht geopfert werden. Es gab dann eine Anhörung im Landtag, dort bestätigten sich sämtliche Kritikpunkte, die die LINKE bis dahin ebenfalls in die Diskussion mit der SPD eingebracht hatte.

Ralf Christoffers: Seitdem das bayrische Polizeigesetz scharf kritisiert wurde,  geistert immer wieder vor allem durch soziale Medien die Behauptung, dass das brandenburgische Polizeigesetz ähnlich scharf sei. Beide sind aber überhaupt nicht vergleichbar. Im Gegenteil. Der Entwurf für das Brandenburger Gesetz ist politisch ein Gegenstück zum bayrischen Polizeigesetz. Weder Online-Durchsuchungen noch „Fußfesseln“ – also Punkte, gegen die auch Klagen gegen das bayrische Polizeigesetz laufen, sind im Brandenburger Entwurf enthalten. Derartige Punkte haben wir als LINKE in den Debatten im Landtag verhindert.
Oder zur „Schleierfahndung“: Sie beruht auf einem besonderen Punkt des Einigungsvertrages, in dem bereits seit der Deutschen Einheit eine „30-Kilometer-Zone“ an der Grenze zu Polen eingerichtet ist. Mit dem deutsch-polnischen Polizeiabkommen vom letzten Jahr hat die Bundesregierung die Möglichkeit eröffnet, in ganz Brandenburg eine derartige Fahndung durchzuführen. Die LINKE hat es geschafft, diese Möglichkeit im Entwurf des Polizeigesetzes anlassbezogen auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen zu begrenzen.

Sebastian Walter: ... und dann ist da noch die so genannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Bereits im Entwurf des Brandenburger Gesetzes ist diese Möglichkeit nur auf den Verdacht einer Terrorismus-Gefahr begrenzt worden. In keinem weiteren Fall war sie im Entwurf vorgesehen. Bei der Anhörung im Landtag gab es eine Reihe von rechtlichen Bedenken dagegen – selbst bei Eingrenzung auf Terrorismus. Diese Argumente werden gegenwärtig auch von der LINKEN geprüft. Sollten sich die rechtlichen Bedenken bestätigen, wird die LINKE nicht für ein Gesetz stimmen, das die Quellen-Telekommunikationsüberwachung auch nur eingeschränkt auf den Bereich „Terrorismus“ beinhaltet. Und die so genannten „Staatstrojaner“ sind weder praktisch noch inhaltlich durchsetzbar: Das sind Programme zur Überwachung der Telekommunikation auf elektronischen Endgeräten wie Handys oder PC`s.

Verkennen DIE LINKE oder Teile der LINKEN die Gefährdungslage in Brandenburg? Rechte Kreise warnen vor organisierter Bandenkriminalität im deutsch-polnischen Grenzgebiet. Braucht Brandenburg deshalb ein neues Gesetz zur Gefahrenabwehr schon im Vorfeld?
Isabelle Czok-Alm: Ich habe selber Übergriffe auf meinem ehemaligen Hof in Mecklenburg erlebt: Die Gefährdung kommt nicht nur von außen, sondern auch von Menschen, die andere Auffassungen nicht tolerieren können – und für die Gewalt der einzige Ausweg ist.

Ralf Christoffers: „Wir werden uns unsere Freiheit nicht nehmen lassen – aber wir sind nicht naiv“, das sagte der norwegische Ministerpräsident nach dem Anschlag des Rechtsterroristen Breivik. Das ist auch die LINKE in Brandenburg nicht. Eine neue Sicherheitsarchitektur muss darauf reagieren – aber nicht in der Form, dass Grund- und Freiheitsrechte wesentlich eingeschränkt werden.

Hat das Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger auch mit der Internationalen Lage zu tun? Die Welt wirkt unsicher ...
Isabelle Czok-Alm: Wir haben uns an den Frieden gewöhnt – seit fast 75 Jahren leben wir ohne direkte Kriegserfahrungen im eigenen Land. Der Krieg ist so weit weg – und doch oft näher als wir denken. Es gab die Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo in den 1990-ern in Deutschland und die aus Syrien in den letzten Jahren.
Deutschland hat einen Anteil an Kriegen und der daraus resultierenden Flucht: Mit Rüstungsexporten unterstützen wir die Kriegsparteien weltweit. Dadurch verursachen wir Flucht und zündeln in den Krisenherden der Welt. Wir müssen die Friedensbewegung wieder mobilisieren, brauchen die Solidarität untereinander. Für mich war die konsequente Antikriegshaltung der LINKEN ein Grund, wieder einzutreten. Ich möchte in Frieden leben – und wünsche es mir für alle anderen Menschen ganz genauso.

Sebastian Walter: DIE LINKE war immer Teil jeglicher Friedensbewegung. Aber die ist de facto nicht mehr vorhanden. Statt dessen gibt die Bundesregierung jährlich 25 Milliarden Euro für Rüstungsausgaben aus, Verteidigungsministerin von der Leyen und Kanzlerin Merkel werfen locker 2 Prozent des Bundeshaushaltes als Rüstungsausgaben in den Ring. Wir müssen als LINKE dagegen halten: Deutschland muss als Friedensmacht seinen Bündnisverpflichtungen nachkommen. US-Präsident Donald Trump stellt die NATO in Frage – dem muss eine europäische Sicherheitspolitik entgegen gestellt werden. Das ist eine neue Situation für Europa, eröffnet aber auch die Chance, die Gesprächsfäden zur Russland nicht abreißen zu lassen.

(Beitrag der Zeitung "Offene Worte")


Landeseigene Wohnungsbaugesell-schaft als Antwort für die Zukunft

Der Brandenburger Finanzminister Christian Görke hat am 21. März 2019 in einer Pressekonferenz der ILB zur Wohnungsbauförderung die Bildung einer Landeswohnungsbaugesellschaft angeregt. Dazu erklärten die Spitzenkandidat*innen der LINKEN Brandenburg zur Landtagswahl 2019, Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter: "Bezahlbarer Wohnraum ist eine zentrale soziale Frage in Brandenburg. Viele Kommunen ohne Wohnungsbaugesellschaft sind nur selten in der Lage, in den Wohnungsmarkt einzugreifen oder weigern sich, wie zum Beispiel die Gemeinde Schönefeld, für sozialen Wohnraum zu sorgen. Darauf muss das Land reagieren! Wir fordern deshalb die Schaffung einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft im Land Brandenburg. Diese kann als Kooperationspartner Kommunen beim Bau von Wohnungen unterstützen und dort, wo es keine öffentlichen Bauträger gibt, im Interesse aller eingreifen. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft kann für bezahlbaren Wohnraum in städtischen, aber auch ländlichen Regionen sorgen." weiterlesen