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Rojava und der Krieg

Die erfolgreiche Entwicklung in Rojava – Friedensmodell für Syrien

Gen. Büttner erläutert mit Hilfe einer Präsentation die komplizierte Lage in Syriens Norden.
Gen. Büttner erläutert mit Hilfe einer Präsentation die komplizierte Lage in Syriens Norden.

Diesem Thema widmete sich am 28. November die jüngste Veranstaltung aus der Reihe „Draufsichten – Ansichten – Einsichten“ des Bernauer Stadtverbandes der LINKEN. Als Referent war Andreas Büttner, MdL, eingeladen, der mehrmals die Region in Syriens Norden bereist hatte.

Rojava ist die Bezeichnung für die Demokratische Föderation Nord- und Ostsyrien. Sie wurde als Folge des Bürgerkriegs am 17.3.2016 gegründet. Bereits 2012 hatte sich die syrische Armee aus diesem Gebiet vollständig zurückgezogen. Ende 2013 verlor die Regierung dort jegliche staatliche Kontrolle. Durch die Partei der Demokratischen Union und der Christlich-Syrischen Einheitspartei wurde für die rund 2 Mio. dort lebenden Einwohner verschiedener Völker – Kurden, Assyrer, Araber, Armenier – eine Übergangsverwaltung geschaffen, die durch die kurdische autonome Region im Nordirak unterstützt wurde. Mittlerweile leben in dieser Region durch Zuzug von Geflüchteten rund 4,6 Mio. Menschen.

Die Verwaltung soll die multiethnische und -religiöse Situation in Nordsyrien widerspiegeln und besteht jeweils aus einem kurdischen, arabischen und christlichen-assyrischen Minister pro Ressort. Ein Volksrat fungiert als Parlament. Insgesamt wird der Plan verfolgt, ein demokratisches System aufzubauen im Sinne des selbstverwalteten demokratischen Konföderalismus (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Rojava), das demokratisch-ökologisch innerhalb der staatlichen Grenzen Syriens handelt.

In dem „Gesellschaftsvertrag von Rojava“ verpflichtet sich die Verwaltung zur Einhaltung der Menschenrechte. Insbesondere werden zur Abgrenzung von der Regierung Syriens und dem sogenannten„Islamischen Staat“ (IS) die Gleichberechtigung von Frauen, Religionsfreiheit, freie Wahlen sowie das Verbot der Todesstrafe genannt (ebenda). Gesetze Syriens gelten nur, soweit sie den Grundsätzen des Gesellschaftsvertrags nicht widersprechen.

Die Volksverteidigungseinheiten von Rojava (YPG) spielten gemeinsam mit anderen verbündeten Milizen in den letzten Jahren eine bedeutende Rolle im Kampf gegen den IS. Dabei erhielten sie aktive Unterstützung seitens der USA. Allerdings hat die Trump-Administration unlängst den Rückzug amerikanischer Truppenverbände aus dem Gebiet verkündet und damit den Weg für den Einfall türkischer Truppe in Rojava freigemacht. Letztere besetzten wichtige Städte, zerstörten Wohngebäude und vertrieben die Kurden, wobei auch aus Deutschland geliefertes Kriegsmaterial zum Einsatz kam. Die völkerrechtswidrige Aggression der Türkei, verbunden mit Kriegsverbrechen und schweren Menschenrechtsverletzungen, blieb bislang sanktionslos.

Der Redner verwies darauf, dass eine Lösung des Konfliktes in der Region aufgrund unterschiedlicher Interessen der handelnden Kräfte schwierig sei. Während die syrische Regierung unter Assad von Iran und der Hisbollah-Miliz sowie Russland unterstützt wird, paktiert die Türkei mit dem „Islamischen Staat“. Die USA hatten ebenso zumindest anfänglich den IS als Gegengewicht gegen die Achse der schiitischen Staaten toleriert, gleichzeitig aber auch den Kurden als „Stachel im Fleisch des Assad-Regimes“ geholfen, die sich wiederum gegen den IS zur Wehr setzen mussten.
Nach Ansicht des Gastes habe Russland, das auf Bitten der syrischen Regierung militärische Hilfe leistet, zur Stabilisierung der Lage und zur Eindämmung des Bürgerkrieges beigetragen. Auch wenn die Assad-Regierung international keine besondere Wertschätzung genieße, so müsse klar sein, dass ohne die regierungstreuen Kampfverbände der IS nicht zu besiegen sei.
Ungeachtet der erheblichen Schwächung des IS im letzten Jahr ist dieser noch nicht endgültig zerschlagen. Die Vertreibung der Kurden aus ihren angestammten Gebieten ermöglichte vielen gefangenen IS-Kämpfern die Flucht aus kurdischen Gefängnissen.

Die Verwaltung von Rojava sah sich letztlich gezwungen, Regierungstruppen des Assad-Regimes um Hilfe zu bitten. Die EU bezog bislang eher eine abwartende Haltung, abgesehen von der Beteiligung an der Luftaufklärung im Kampf gegen den „Islamischen Staat“. Viel mehr als eine distanzierte Haltung zum türkischen Einmarsch in den syrischen Norden wurde nicht sichtbar. Die Türkei wird vor allem als „Bollwerk“ gegen die Flüchtlingsströme aus der Region betrachtet und lässt sich vom türkischen Präsidenten faktisch erpressen.
In der Diskussion wurden sowohl Hoffnungen mit als auch Zweifel an den Erfolg der zähen, international begleiteten Verhandlungen zwischen der syrischen Regierung und den Demokratischen Kräften Syriens (SDF) deutlich. Letztlich kann aber wohl nur eine Verhandlungslösung - mit einer neuen Verfassung für das Land als Ergebnis - den Bürgerkrieg in Syrien beenden. Zugleich ist der Abzug aller ausländischen Truppen aus der Region erforderlich. Nur so scheint eine Stabilisierung der Region denkbar.

DIE LINKE hat sich stets solidarisch gegenüber der kurdischen Selbstverwaltung gezeigt und auch den Einmarsch türkischer Truppen in das Gebiet Rojava entschieden verurteilt (s. „Solidarität mit Rojava“). Allerdings, so der Referent, kam die Ablehnung jeglicher Waffenlieferungen Deutschlands in die Region durch unsere Partei bei den Kurden nicht gut an, die auf internationale Hilfe angewiesen sind. Seitdem seien Vertreter unserer Partei in Rojava nicht besonders willkommen.

Der Abend half den Anwesenden, tiefer in die Problematik einzudringen und das Verständnis für die Ereignisse in der Region zu erweitern. Genossen Büttner wurde herzlich gedankt, der als Geschenk eine Flasche Bernauer Bier mit nach Hause nehmen konnte.

W. K.